Beiträge aus dem Buch

"Sieben um einen Tisch"

Neuauflage 2003

[Zurück]

Auf dieser Seite:

Zum Geleit (Vorwort von Kardinal Lehmann) | Ein verbindendes Wort (von Bernhard Nadorf) | Gedanken zu Elisabeth Groß (von Clemens August Holtermann)

Zum Geleit

Am 7. Oktober 2001 ist Nikolaus Groß von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen worden. Vielen ist dieses denkwürdige Ereignis noch sehr lebendig gegenwärtig. Die erwachsenen Kinder waren anwesend. Es war ergreifend, dass Bernhard Groß als Ständiger Diakon dem Hl. Vater bei der heiligen Messe assistieren konnte.

In zahlreichen Feiern und Veranstaltungen ist in der Zwischenzeit das Leben und Wirken von Nikolaus Groß immer mehr Menschen zugänglich geworden

Es ist darum auch sehr erfreulich, dass das letzte Manuskript von Nikolaus Groß "Sieben um einen Tisch" nun in 5. Auflage vorgelegt werden kann. Nikolaus Groß hat den Text erst kurze Zeit vor der Haft abgeschlossen. Die 5. Auflage stellt eine Umgestaltung dar und hilft dadurch, diese leuchtende Gestalt des Widerstandes gegen die nationalsozialistischen Machthaber mit seinem Umfeld noch besser kennen zu lernen.

Durch die Hereinnahme der Elisabeth Groß kann nun auch der Frau des hingerichteten Bekenners und Märtyrers die notwendige Ehre und Anerkennung zukommen.

Es ist zunächst verständlich, dass im Seligsprechungsverfahren gerade eines hingerichteten Bekenners zwar gewiss auch seine Ehe und Familie eine Rolle spielen, aber es kann nicht zu gleicher Zeit und im selben Verfahren eine Seligsprechung z. B. der Ehefrau miterfolgen. Aber gerade deswegen bleibt eben auch ein Mangel bestehen, denn Elisabeth Groß hat alles mitgetragen, was Nikolaus Groß zu tragen hatte. Nicht zuletzt gilt dies im Blick auf ihre Sorge nach seinem Tod für die ganze Familie. Diese Frau darf nicht in Vergessenheit geraten.

Deshalb ist es eine gute und wesentliche Ergänzung des Bildes von Nikolaus Groß, dass nun die Erinnerung an seine Frau durch die erweiterte Auflage dieses Buches, und durch eine Würdigung von ihrem Sohn, mehr in den Vordergrund gerückt wird. Gerade diese Frau eines Seligen gehört mit zum Bild.

Wenn ich als Bischof von Mainz dieses Geleitwort schreibe, so darf ich es auch deswegen tun, weil Nikolaus Groß im Blick auf den großen Bischof Wilhelm Emanuel von Ketteler eine besondere Beziehung nach Mainz hatte.

Die Übertragung des Lichtes vom Ruhrgebiet nach Mainz zum Grab Kettelers, an der 1934 mehr als 10.000 Männer aus allen deutschen Diözesen teilnahmen, war maßgeblich von Nikolaus Groß vorbereitet worden. Dies gilt ebenso für die machtvolle Demonstration des Glaubens jener Tage am Beginn des Dritten Reiches.

Bis heute hat sich diese Wallfahrt erhalten.

Ich wünsche der Neuauflage eine gute, freundliche und fruchtbare Aufnahme.

Mainz, im November 2002

Kardinal Lehmann
Bischof von Mainz


Ein verbindendes Wort

"Sieben um einen Tisch" und "Gott hat immer wunderbar geholfen": Die erste Überschrift hat Nikolaus Groß für sein Buch gewählt, der zweite Satz stammt von Elisabeth Groß. Immer, wenn die Not in der Nachkriegszeit am größten war, hat sie ihren Mann als Fürsprecher angerufen und die Erfahrung gemacht, dass ihre Bitte erhört wurde. Der Journalist Nikolaus Groß war ein Mann des geschriebenen Wortes; von seiner Ehefrau sind schriftliche Zeugnisse kaum überliefert. Wer sich der Biografie dieser bescheidenen und glaubensstarken Frau nähern will, ist auf persönliche Nähe, auf Gespräche, Begegnungen und Erinnerungen angewiesen; und so stammt der folgende Beitrag über Elisabeth Groß nicht von einem Historiker, sondern von einem der "sieben".

Nikolaus Groß hat das Buch "Sieben um einen Tisch" in der "wir"-, nicht in der "ich"-Form geschrieben. Als Vater teilt er seine Beobachtungen in der Familie in enger Erziehungsgemeinschaft mit seiner Ehefrau Elisabeth. Sie beide sind Autoren, also Urheber des Buches.

In der Wahrnehmung ihres jüngsten Sohnes tritt Elisabeth Groß, als Frau an der Seite von Nikolaus Groß, aus dem Hintergrund hervor; Nikolaus Groß wird zu dem Mann an ihrer Seite. Die Perspektive wechselt, das Grundthema ist das gleiche. Elisabeth Groß steht im Mittelpunkt, und sie ist die zentrale Bezugsperson, sowohl für ihren Ehemann wie für ihren Sohn.

Vieles ist in der Vergangenheit über Nikolaus Groß und seine Ehefrau gesagt und geschrieben worden. Hier kommen beide authentisch zu Wort, mit dem geschriebenen und dem gesprochenen Wort. Mit einer Fülle von Zitaten lässt der Sohn seine Mutter sprechen und verbindet sie in einem faszinierenden zeitübergreifenden Dialog mit Nikolaus Groß und mit ihren Kindern. Gleichzeitig erfährt der Leser mehr über den politischen und historischen Kontext der Lebensgemeinschaft, die Nikolaus Groß in seinem Buch beschreibt. Nikolaus Groß hat ein zeit-loses Buch geschrieben, in dem er sich grundlegend mit christlicher Erziehung und Familie befasst. Der Sohn ergänzt die Sichtweise seines Vaters, indem er die Geschichte der Sieben in den Raum und in die Zeit des 20. Jahrhunderts einordnet - von 1898 bis 1972.

So erlebt der Leser die besondere Alltagsgeschichte einer Familie in diesen Jahren. Der Weg des Ehepaares Groß und seiner sieben Kinder begann in Niederwenigem und führte über Oberhausen, Zwickau, Bottrop und Mönchengladbach nach Köln. Die Eltern wurden im Kaiserreich geboren. Nach dem ersten Weltkrieg heirateten sie im Jahre 1923; in der Weimarer Republik wurden die ältesten Kinder geboren. Nikolaus und Elisabeth Groß kämpften vor der Machtergreifung gegen den Nationalsozialismus und für die katholische Arbeiterbewegung; der Vater bezahlte seinen Einsatz für die Würde des Menschen mit dem Tod am Galgen. Der Tisch, das Zeichen der Gemeinschaft, wurde im Krieg zerstört.

Elisabeth Groß hat den Lebensweg ihres Mannes in guten und vor allem in schweren Tagen in großer Solidarität und Glaubensgemeinschaft begleitet; sie hat die Grundwerte, für die Nikolaus Groß stand, als Witwe an ihre Kinder und Enkelkinder weitergegeben - bis zu ihrem Tod im Jahre 1972.

Am 7. Oktober 2001 wurde Nikolaus Groß von Johannes Paul II auf dem Petersplatz in Rom seliggesprochen. Als sein Portrait am Petersdom enthüllt wurde, fragte mich ein kanadischer Besucher: "Oh, he wears a tie and a suit! What about his wife?" ("Oh, er trägt eine Krawatte und einen Anzug! Was ist mit seiner Ehefrau?") Viele Menschen in Rom werden sich diese Frage gestellt haben. Dieses Buch gibt die Antwort.

In dem Textbuch der "Beatificazione" vom 7. Oktober 2001 (S. 184) wurden mit der Seligsprechung von Nikolaus Groß folgende Anliegen der Weltkirche verbunden: Die Wohlfahrt der Familie, die Welt der Arbeit, der Journalismus und der Einsatz für die Überwindung des Rassismus.

Elisabeth und Nikolaus Groß haben sich gemeinsam für diese Anliegen und für die Würde des Menschen eingesetzt. Daher sind wir beiden zu Dank verpflichtet.

Bernhard Nadorf
(Oberstudiendirektor i.K. und Leiter des Nikolaus-Groß-Abendgymnasiums)


Gedanken zu Elisabeth Groß

Elisabeth Groß wäre ohne ihren Mann nie so bekannt geworden. Aber wäre ihr Mann, Nikolaus Groß, das geworden, was er geworden ist: engagierter Gewerkschaftler und KAB Mann, guter Familienvater und am Ende Märtyrer, ohne seine Frau?

Sicher sind Glaube und Gewissensentscheidungen immer eine ganz persönliche Angelegenheit. Sie sind aber nie unabhängig von den Mitmenschen, die von diesem Glauben und von den Entscheidungen, die von diesem Glauben bestimmt sind, betroffen sind. Wie zu Nikolaus von der Flue seine Frau Dorothea und seine Kinder gehören, die dessen Entscheidungen mitgetragen und die Folgen mitgelitten haben, so war es auch in der Familie Groß. Ohne das Vertrauen zu seiner Frau und ohne ihr Einverständnis und die möglichen Konsequenzen hätte Nikolaus Groß seinen Weg nicht so gehen können. In sechs Jahren viermal umziehen, mitarbeiten, um die Familie zu ernähren, die Sorge um die Gesundheit des Mannes, die Sorge wegen seines Engagements im Widerstand, die Sorge um die Zukunft und ihre Sorge als Witwe und dabei noch selbstbewusste Gesprächspartnerin und engagierte Mitbürgerin zu bleiben, das hätte viele Frauen und Männer überfordert! Die Kraft dazu hat ihre Quelle in der Liebe zu ihrem Mann und zu ihren Kindern und in einem starken Glauben an Gott.

So steht Elisabeth Groß auch für viele Frauen in der Gesellschaft, in der Kirche und in der KAB, damals und heute, die im Hintergrund Wichtiges leisten und oft auch erst als Witwe Selbständigkeit zeigen können. Kirche und Gesellschaft nehmen das viel zu wenig wahr!

Elisabeth Groß steht dafür, dass wir weder das eigene Leben noch das Leben anderer Menschen von anderen Menschen her ableiten oder definieren dürfen, sondern dass wir lernen müssen, den eigenen Wert und die eigene Würde eines jeden Menschen zu sehen.

Elisabeth Groß darf aber nicht dafür herhalten, die Rolle der Frau auf Ehe und Familie zu beschränken, so wichtig diese Arbeit auch ist. Wir dürfen und müssen uns fragen, wo und wie Elisabeth Groß ihre Fähigkeiten mit ihrer Energie und ihrer Liebes- und Glaubenskraft heute eingebracht hätte.

Clemens-August Holtermann
Bundespräses der KAB

Zitiert nach: "Sieben um einen Tisch"


[Zurück]