Marianne Hapig

über die Hinrichtung von Nikolaus Groß

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Aus einem Berliner Tagebuch


23. Januar 1945
Tag des hl. Raymund

Heute starben zehn Männer als "Martyrer für das andere Deutschland". Ihr letzter Opfergang zum Galgen war erschütternd, berichtet Pfarrer Buchholz. SS und Gestapo sind wie immer in Scharen erschienen zu dem Schauspiel der Exekution in Plötzensee. Ein Geistlicher darf nicht mit diesen Ausgestoßenen in ihrer letzten Stunde sprechen. Er darf sie auch nicht einmal stumm zum Galgen begleiten. Pfarrer Buchholz aber hat seine Getreuen. Er ist rechtzeitig benachrichtigt worden. Schnell ist er herbeigeeilt, verbirgt sich, wie schon manches Mal, in einem ihm gut bekannten Winkel, und sieht die traurige Prozession der Todesopfer. Aufrecht und ruhig schreiten sie zum Galgen. Jeden einzelnen segnet Pfarrer Buchholz. Nikolaus Groß neigt beim Segen still das Haupt. Sein Gesicht scheint schon erleuchtet von der Herrlichkeit, in die einzugehen er sich anschickt. Graf Moltke sagt leise: "Auf Wiedersehen im Himmel, Herr Pfarrer", und hat nach Pfarrer Buchholz' Worten "gestrahlt wie einer, der zur Hochzeit geht". Eugen Bolz war zum Tode durch Enthauptung "begnadigt" worden. In seine Zelle konnte Pfarrer Buchholz im letzten Augenblick schleichen, Der Verurteilte kniete nieder und bittet um den Segen, mit dem er in dieser äußersten Lebensgefahr die Lossprechung empfängt. Ruhig und eindringlich sagt er dann: "Grüßen Sie meine Frau und meine Tochter und trösten Sie beide. Sagen Sie ihnen und allen, daß ich für Deutschland sterbe."

Zu unserm größten Erschrecken sah Pfarrer Buchholz heute in der Todesprozession auch einen Mann (Erwin Planck) ruhig zum Galgen gehen, der zwar verurteilt war, aber nicht sterben sollte. Das war ein offenes Geheimnis. Die Rücksicht auf den greisen Vater ein Gelehrter, auf den die Welt schaut sollte ihn vor der Exekution bewahren. Was mag geschehen sein? Irrtum? Rache? Der Vater und die arme Frau werden ahnungslos sein.

Noch ein anderes Geheimnis liegt über diesem schweren Tage: Pater Delp, Dr. Hermes und auch Dr. Steltzer, gleichzeitig mit den andern zum Tode verurteilt, waren heute nicht in der Todesprozession. Leben sie überhaupt noch? Werden sie aufgespart für neue Qualen, andere Martern? Will Gott an ihnen das "Wunder der Befreiung" wirken?

Zitiert nach: Marianne Hapig: "Alfred Delp/Kämpfer, Beter, Zeuge", Morus Verlag Berlin, 3. Auflage, 1978, S. 97f


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