Abschiedsbrief von Nikolaus Groß

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Die Hinrichtungsstätte von Nikolaus Groß in Berlin-Plötzensee

Abschiedsbrief von Nikolaus Groß an seine Familie kurz vor seiner Hinrichtung 1945

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Berlin-Tegel, den 21. 1.45
Herzallerliebste Mutter!
Ihr lieben und guten Kinder!

Es ist St. Agnestag, an dem ich diesen Brief schreibe, der, wenn er in Eure Hände kommt, zusammen mit einem an¬deren Brief, den ich im November schrieb, Euch künden wird, daß der Herr mich gerufen hat. Vor mir stehen Eure Bilder und ich schaue jedem lange in das vertraute Ange¬sicht. Wieviel hatte ich noch für Euch tun wollen - der Herr hat es anders gefügt. Der Name des Herrn sei geprie¬sen. Sein Wille soll an uns geschehen. Fürchtet nicht, daß angesichts des Todes großer Sturm und Unruhe in mir sei. Ich habe täglich immer wieder um die Kraft und Gnade gebeten, daß der Herr mich und Euch stark mache, alles geduldig und ergeben auf uns zu nehmen, was Er für uns bestimmt oder zugelassen. Und ich spüre, wie es durch das Gebet in mir still und friedlich geworden ist.
Mit inniger Liebe und tiefer Dankbarkeit denke ich an Euch zurück. Wie gut ist doch Gott und wie reich hat Er mein Leben gemacht. Er gab mir seine Liebe und Gnade, und er gab mir eine herzensliebe Frau und gute Kinder. Bin ich ihm und Euch dafür nicht lebenslangen Dank schuldig? Habt Dank Ihr Lieben, für alles, was Ihr mir erwiesen. Und verzeiht mir, wenn ich Euch weh tat oder meine Pflicht und Aufgabe an euch schlecht erfüllte. Be¬sonders Dir, liebe Mutter, muß ich noch danken. Als wir uns vor einigen Tagen für dieses Leben verabschiede¬ten, da habe ich, in die Zelle zurückgekehrt, Gott aus tie¬fem Herzen gedankt für Deinen christlichen Starkmut. Ja, Mutter, durch Deinen tapferen Abschied hast Du ein helles Licht auf meine letzten Lebenstage gegossen. Schöner und glücklicher konnte der Abschluß unserer innigen Liebe nicht sein, als er durch Dein starkmuti¬ges Verhalten geworden ist. Ich weiß: Es hat Dich und mich große Kraft gekostet, aber daß uns der Herr diese Kraft geschenkt, dessen wollen wir dankbar eingedenk sein.
Manchmal habe ich mir in den langen Monaten meiner Haft Gedanken darüber gemacht, was wohl einmal aus Euch werden möge, wenn ich nicht mehr bei Euch sein könnte. Längst habe ich eingesehen, daß Euer Schicksal gar nicht von mir abhängt. Wenn Gott es so will, daß ich nicht mehr bei Euch sein soll, dann hat Er auch für Euch eine Hilfe bereit, die ohne mich wirkt. Gott verläßt kei¬nen, der Ihm treu ist, und Er wird auch Euch nicht verlas¬sen, wenn Ihr Euch an Ihn haltet.
Habt keine Trauer um mich - ich hoffe, daß mich der Herr annimmt. Hat Er nicht alles wunderbar gefügt. Er ließ mich in einem Hause, in dem ich auch in der Gefangen¬schaft manche Liebe und menschliches Mitgefühl emp¬fing. Er gab mir über fünf Monate Zeit - wahrlich eine Gnadenzeit-, mich auf die Heimholung vorzubereiten. Ja, er tat viel mehr: Er kam zu mir im Sakrament, oftmals, um bei mir zu sein in allen Stürmen und Nöten, besonders in der letzten Stunde. Alles das hätte ja auch anders sein kön¬nen. Es war nur ein kleines dazu nötig, ich brauchte, wie viele andere nach dem Angriff vom 6. 10. nur in ein anderes Haus verlegt werden, und ich hätte vieles und Entschei¬dendes nicht empfangen. Muß ich nicht Gottes weise und gnädige Fügung preisen und Ihm Dank sagen für seine Güte und väterliche Obhut? Sieh, liebe Mutter, so menschlich schwer und schmerzlich mein frühes Scheiden auch sein mag - Gott hat mir damit gewiß eine große Gnade erwiesen. Darum weinet nicht und habt auch keine Trauer; betet für mich und danket Gott, der mich in Liebe gerufen und heimgeholt hat.
Ich habe für jeden von Euch ein Spruch- oder Andachts¬bildchen mit einem persönlichen letzten Wort versehen. Möge es jedem eine kleine Erinnerung sein, auch zu der Bitte, mich im Gebet nicht zu vergessen. Eine große Freude war mir das Sterbekreuz und der Ro¬senkranz, den Du, liebe Mutter, mir in die Zelle schick¬test. Ich trage das Kreuz Tag und Nacht auf der Brust, und auch der Rosenkranz ist mein ständiger Begleiter. Ich werde Sorge tragen, daß beides in Deine Hände zurück¬kommt. Auch sie werden Dir Gegenstand lieber Erinne¬rung sein.
Nun habe ich meine irdischen Angelegenheiten geordnet. Die Tage und die Stunden, die mir bleiben, will ich ganz dem Gebet hingeben. Gott möge sich meiner armen Seele erbarmen und Euch immerdar mit seinem Segen und sei¬ner Gnade begleiten.
In der Liebe Christi, die uns erlöste und unsere ganze Hoffnung ist, segne ich Euch: Dich, liebste, gute Mutter, Dich Klaus und Dich Berny, Dich Marianne und Dich Eli-sabeth, Dich Alexander, Dich Bernhard und Dich Leni. Ich grüße noch einmal alle teuren Verwandten, meinen Vater und Schwiegervater, meine Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen mit ihren Kindern, alle Verwandten, Freunde und Wohltäter.
Gott vergelte Euch, was Ihr mir Liebes und Gutes getan habt. Im Vertrauen auf seine Gnade und Güte hofft auf ein ewiges Wiedersehen in seinem Reiche des Friedens

Euer
Vater.

Quelle: Nachlaß N. Groß, Sozialarchiv im Bistum Essen

Die Briefe von Nikolaus Groß werden in der Domschatzkammer des Bistums Essen aufbewahrt.

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