Brief vom 19.11.1944 an die Familie

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Nik. Groß

Berlin-Tegel, 19. Nov. 1944
Seidelstraße 39
Haus 1

1499
8/326

Allerliebste Mutter!
Ihr lieben Kinder!

An diesem Tage bin ich in meinen Gedanken besonders viel bei Euch. Ist es doch Mutters und Liesels Namenstag. Gerne möchte ich unter Euch sein, Eure Freude teilen und Euch meine Liebe bezeigen. Nun, Ihr müßt Euch auch so zufriedengeben. Aber meinen Glückwunsch, den ich schon in früheren Briefen ausgesprochen habe, will ich doch wiederholen.
In der abgelaufenen Woche habe ich von Euch viele und liebe Post bekommen. Von Mutter drei Briefe: vom 22., 25. und 28. Oktober. Die Freude war groß, überaus groß. Für alle Nachrichten, guten Worte und Wünsche, besonders für die Gebetsversprechen herzlichen Dank. Ja, es ist gut, daß Ihr in N.-Wenigern seid. Suchet Euch die ge-schützteste Stelle aus. Ich bin mit allem einverstanden, was Ihr tut. Ich habe nur noch Euer Wohl im Auge, aber keine eigensüchtigen und selbstherrlichen Wünsche und Ansichten mehr. So müßt Ihr es auch wissen, ob Ihr den Alex heimholen wollt. Viel Zweck wird es mit der Schule ja nicht mehr haben. Handelt so, wie Ihr es für gut befindet.
Viele Fragen, so wegen der Alsatia, sind durch Deine Briefe, liebe Mutti, beantwortet. Nimm meinen herzlichen Dank.
Von Berny bekam ich zwei Briefe vom 28.10. und 2.11. Von Marianne einen langen Brief mit dem Paulusworte vom 7.11. und von Liesel einen Brief, ebenfalls vom 7. 11. Allen drei fleißigen Schreiberinnen herzlichen und aufrichtigen Dank. Jedes Wort ist ein Gruß aus einer vertrauten und lieben Welt, ein Klang aus der Heimat und aus einem beißgeliebten Kreis von Menschen, der-mir der teuerste hier auf Erden ist. Vielen, vielen Dank. Zum ersten Male habe ich nichts von Alex gehört. Aber das liegt nicht an ihm, die Post wird mir seinen Gruß wohl noch zubringen.
Wie geht es den Kindern? Ist Leni gänzlich wiederhergestellt? Und Liesel? Mutter! Du mußt Dich schonen! Nimm Rücksicht auf Deinen Herzfehler. Es kommt doch alles, wie Gott es will. Je mehr wir uns ihm anvertrauen, um so mehr Frieden und innere Ruhe werden wir gewinnen. Darum sorge Dich nicht unnötig; bete zu ihm, bete herzlich und anhaltend und gib das andere in seine Entscheidung.
Mir geht es noch gut. Über meine Gesundheit habe ich nicht zu klagen. Ich wollte, jeder von Euch wäre so gesund. Berny wird sich in ihrem neuen Beruf wohl eingearbeitet haben. Was schreibt Michael? Gruß an die Schwiegereltern. Für Marianne freue ich mich, daß sie mit ihrem Apothekerberuf das Leben an einem interessanten Zipfel erwischt hat. Alles Gute für sie und ihre Zukunft. Liesel wünsche ich von Herzen gute Gesundheit. Sie ist ein tapferes Mädel. Herzlichen Gruß an Alex. Seht einmal zu, wie Ihr es mit ihm machen wollt. Der stille Bernhard ist nun wieder bei der Mutter. Das ist gut so. Herzlichen Gruß an den Jungen. Er soll tüchtig für mich beten. Und die liebe kleine Leni. Gott segne sie! Euch allen, besonders Dir, Herzensmutter, herzliche Grüße und alle guten Wünsche. Gott sei immer mit Euch! Grüße meinen und Deinen Vater, meine und Deine Geschwister. Gruß an alle Freunde und Bekannten. Besuch in meinem Namen die Mütter und grüße sie. Ein herzliches Gedenken für unseren Klaus! Gruß an Heinz, Werner und Paul.
Im steten Gedenken an Dich, liebe Lisbeth, und alle sieben Kinder verbleibe ich in Liebe

Dein Nikel.


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