Brief vom 12.11.1944 an die Familie

[Zurück]

Nik. Groß

Berlin-Tegel, den 12.11.44
Seidelstraße39
Haus 1

Nr. 1499
8/326

Allerliebste Mutter!
Ihr lieben Kinder alle!

Heute kann ich Euch mit Freude den Eingang mehrerer Briefe von Euch mitteilen. Von Fürstenberg bekam ich nachgeschickt einen Brief von Marianne vom 3. 10., worin sie mir schreibt, daß sie als Assistentin in der Stabsapotheke Dienst tue. Von Elisabeth bekam ich einen Brief vom 13. 10. ebenfalls über Fürstenberg mit 2 Fotos (1 Ahlbeck, 1 Kupferdreh); von Alex einen Sonntagsgruß vom 15.10. Am 9.11. kam dann an die Tegeler Adresse ein Brief von Berny vom 27. 10. mit der Nachricht, daß sie als Gehilfin beim Stabsarzt beginnen werde. Alex schrieb mir vom 29. 10. und Marianne vom 25. 10. Außerdem kam noch ein Brief von Berny vom 15. 10. und Liesel vom 3. 10. (mit 4 Marken ä 12 Pfg) über Fürstenberg. Allen Kindern herzlichen Dank und treue und liebe Gegengrüße. Keine Frage, daß ich mit der Berufslösung für Berny wie Marianne gern und freudig einverstanden bin. Und ebenso groß ist mein Vertrauen, daß beide Mädchen sich - wie Marianne schreibt - »gut halten werden«. In dieser Hinsicht habe ich keine Besorgnis. Ich bin davon überzeugt, daß sich jedes unserer Kinder so verhalten wird, als wäre ich noch zu Hause. Ich freue mich, Euch sagen zu können, wie sehr ich Euch vertraue und an Euch glaube. Unter den Briefen war keine Post von der Mutter. Gewiß hat sie geschrieben und es sind wohl mehrere Briefe unterwegs. Ich denke, daß sie in den nächsten Tagen ankommen. Daß Ihr in Neuß alles, wie Berny schreibt, aufgegeben habt, ist richtig. Es war viel zu umständlich. An Pötz hatte ich auch von mir aus geschrieben. Hoffentlich hat er die Honorarfrage ordentlich geregelt. Schreibt mir bitte darüber gelegentlich. Schreibt auch, ob ich mich wegen der Alsatia nochmals an Hüpgens wenden muß. Mit der Wäsche komme ich hier gut zurecht. Ich brauche keine weitere Wäsche, sie wird hier sehr sauber gereinigt. Nur ein Paar Handschuhe hätte ich gern gehabt. Im übrigen bin ich nach wie vor gesund und in guter Verfassung. Ich hoffe auch von Euch allen, daß Ihr gesund und starken Mutes seid. Liebe Mutter: Zu der Zeit, in der Du diesen Brief bekommst, jährt es sich, daß wir die schmerzliche Nachricht bekamen, unser Klaus sei vermißt. Ich werde an diesem Tage in meinem Gedenken ganz bei Dir und dem Jungen sein. Ebenso am 6. Dezember, am Namenstage. Grüße dann besonders den alten Vater von mir. Und sei getrost! Vielleicht kann ich heute mehr für Dich »tun«, als ich es früher konnte, da der Tag uns nicht zur Ruhe und Besinnung kommen ließ.
Wie geht es Dir, liebe Lisbeth? Zunächst hoffe ich sehr zuversichtlich, daß es Dir gesundheitlich noch gut geht. Ich meine, daß ich Dir im Geiste nie so nahe gewesen und so eng verbunden war, als jetzt, wo wir äußerlich so sehr getrennt sind. Und auch die Kinder haben meinem Herzen nie näher gestanden. Grüße ein jedes: die gute Berny mit Michael, die liebe Marianne, die fröhliche Elisabeth, den tapferen Alex, den stillen Bernhard und die herzige Leni. Allen und jedem danke ich für das, was er für mich tut. Grüße auch Tante Lenchen, Anni, Werner und Heinz. Grüße meine Schwestern und die im Siepen, besonders den Opa. Was macht Bernh. Exeler? Und nun besonderen Gruß für Dich, liebe Mutter. Du weißt, daß ich Deiner besonders innig und herzlich gedenke. Von Herzen wünsche ich Dir alles Gute. Alex frug für Frau Stärck, ob ich Pakete empfangen dürfte. Schreibe ihm, daß das nicht möglich sei. Grüße auch Mockenhaupts und Johannes in Thorr. Berny kann meinen Füllhalter benutzen. Wie steht es mit dem Tintenkuli für Schulte? Ist er fertig und abgeschickt?
Herzlich und innig grüße und küsse ich Dich. Stets bleibe ich Dein getreuer

Nikel.

Dank an Marianne für das Gedicht: »Die wunderklaren Sterne«, das mir sehr gefallen und viel Freude gemacht hat.


Klicken Sie für mehr zu diesem Thema Aus dem Nikolaus-Groß-Musical: "Die wunderklaren Sterne"
Klicken Sie für mehr zu diesem Thema Zum nächsten Brief

[Zurück]