Brief vom 05.11.1944 an die Familie

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Nik. Groß

Berlin-Tegel, den 5.11.44
Seidelstraße 39
Haus 1

1499
8/326

Allerliebste Mutter!
Ihr lieben Kinder alle!

Wieder kann ich mich zu einem Brief an Euch hinsetzen. Allerdings gibt es den zweiten Brief nicht mehr, so daß ich dem einen oder anderen Kinde nicht besonders schreiben kann. Mir tut das für Marianne u. Elisabeth leid, denen ich gerne ein herzliches persönliches Wort gesagt hätte. Sie mögen es verstehen, wenn es nicht geschehen kann. Nicht am äußeren Wort liegt es ja, sondern am Geist und an der Gesinnung. Und da mögt Ihr alle überzeugt sein, daß ich nie inniger und leidenschaftlicher mit meiner Liebe und allem Guten in mir bei Euch war als in dieser Zeit der Trennung. Außer Gott füllt nur Ihr meine Gedanken aus. In solcher Gesinnung bete ich täglich und stündlich für Euch, aus dieser Haltung schreibe ich auch meine Briefe. Post habe ich von Euch in dieser Woche nicht bekommen. Nun, sie wird gewiß unterwegs sein und mich in den nächsten Tagen erreichen. Meine letzte Post bekam ich am 27. 10. Habt Ihr meine Briefe bekommen? Schreibt mir darüber, es interessiert mich. Was schreibt Alex? Was Bernhard? Wenn Ihr ihnen antwortet, dann richtet an beide meine herzlichen Grüße und Wünsche aus. Sie sollen mich nicht vergessen. Darum bitte ich auch Euch alle von Herzen. Es sind mittlerweile so viele Tage ins Land gegangen, da brennen die Schmerzen der Trennung nicht mehr so heiß. Die Gewohnheit schleift vieles ab. Das Le-ben ist so, und man kann es nicht ändern. Aber ich bitte Euch mit heißem Herzen: Vergeßt mich nicht in Eurem Gebet und Opfer. Laßt es Euch nicht zur kalten oder lauen Gewohnheit werden. Ich brauche Euch und baue auf Euch, wie ich andererseits auch für Euch tue, was ich kann. Laßt dem gebetsreichen Oktober einen ebensolchen November folgen.
Sonst geht es mir gesundheitlich und seelisch gut. Ich hoffe Euch in gleich zufriedener Verfassung? Was machst Du, liebe Mutter? Ich bete viel für Deine Tapferkeit und Dein Vertrauen und die Zuversicht. Gott wird alles zum Guten fügen. Auf ihn mußt Du alle Sorgen werfen. Wie ist es mit Deiner Gesundheit, wie steht es mit dem Herzen? Hast Du eine Übersicht, wie es im Geschäft und in der Wohnung in Köln aussieht? Ich habe in früheren Briefen gefragt, ob und was die Alsatia in Kolmar gezahlt habe. Eine Antwort habe ich noch nicht. Vielleicht ist sie unterwegs. Schreibe mir oder schreibe an Hüpgens, wenn die Zahlung ausblieb. Oder ich kann ihm auch schreiben. Was machen die Kinder: Berny, Marianne, Elisabeth und Leni. Gemeinsam denken wir immer an Klaus. Auch von Alex und Bernhard möchte ich hören. Grüße alle Kinder von Herzen. Jedem von Euch, so wie Ihr im Bilde vor mir steht, sage ich morgens und abends und oft, sehr oft tagsüber meinen Gruß. Wie geht es Lenchen? Ich denke auch an sie und ihre Sorgen. Sind die Opas noch gesund? Grüße an sie und an Deine und meine Geschwister alle. Namenstagsgrüße für den Katharinentag an Frau Schmitz, Lotz und Kätchen Härig.
Nun, liebe Mutter, sei herzlich bedankt. Mache Dir meinetwegen keine allzu großen Sorgen. Es wird schon alles gut werden. Ich bin gesund wie kaum zuvor. Von den 13 Stunden Schlafenszeit schlafe ich 9-10 Stunden fest und gut. Der Rest ist Lesen, Beten und Besinnung. Und ich habe ein starkes, lebendiges Vertrauen. Laß also Deinen Kummer nicht zu groß sein. Aber für alle Sorgen und Liebe, die Du für mich aufwendest, bin ich Dir herzlich dankbar. Ich spüre Deine Liebe täglich und stündlich um mich wie eine trauliche Wärme und ein schönes helles Licht. Ich grüße Dich aus innerstem Herzen. Sei bedankt für alles. Grüße die Kinder und alle Verwandten. Innigen Gruß und Kuß

Vater.

Schickt mir einiges Briefpapier (Umschläge habe ich noch). Was machen Werner und Heinz. Alex wollte mir ein Foto schicken und von Klein-Leni sollte ich eins haben.


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