Brief vom 29.10.1944 an die Familie

[Zurück]

Nikolaus Groß

Berlin-Tegel, den 29.10.44
Seidelstraße 39
Haus 1

Nr. 1499
8/326

Meine liebe Mutti!
Ihr lieben und guten Kinder alle!

Wieder darf ich mich hinsetzen und Euch schreiben. Ihr glaubt nicht, mit welcher Freude ich das tue. Der ganze Tag wird davon überstrahlt. Und im voraus nehme ich schon Anteil an der Freude, die die kargen Zeilen bei Euch auslösen. Wenn Menschen sich so liebhaben und so miteinander verbunden sind, wie es bei uns der Fall war, dann ist die schriftliche Verbindung etwas dürftig. Aber wir freuen uns, daß sie uns erlaubt ist, und wir wollen sie von Herzen nutzen. Es ist dies der 5. Brief, den ich von Tegel aus an die Familie schreibe, außer Berny u. Alex, die besondere Briefe bekamen. An Marianne schreibe ich zum nächsten Sonntag, später auch an Liesel. Mein letzter Brief von Fürstenberg vom 25. Sept. scheint auch später nicht bei Euch eingegangen zu sein. Denn vorgestern (27. 10.) bekam ich die erste nach hier gerichtete Post von Euch: Einen Brief der Mutter vom 18. 10. als Antwort auf meine Briefe vom 30.9. u. 8.10.; Berny und Marianne hatten in diesem Brief Zusätze gemacht. Der 2. Brief von der Mutter war vom 19. 10.; Liesel und Leni hatten hinzugeschrieben. In beiden Briefen war mein Schreiben vom 25.9. nicht erwähnt. Ebenso bekam ich am gleichen Tage (27. 10.) einen Brief von Alex (unfrankiert!!!) vom 21. 10. Euch allen herzlichen und tiefinnigen Dank. Zehn Tage war ich ohne Post, von Fürstenberg ist nichts mehr nachgekommen. Da hat mich Eure neue Nachricht von Herzen gefreut. Hoffentlich sind Liesel u. Leni wieder gesund.
Für Marianne freue ich mich, daß sie die Assistentinnenstelle in der Apotheke bekommen hat. Es ist eine gute Lösung, die mir sehr gefällt. Und daß sie ihr Abitur nachbekommen soll, ist ebenfalls erfreulich. Hoffentlich hat Berny die Stelle im Lazarett bekommen. Ich erwarte sehr ihre Nachricht darüber und über Michaels Ergehen. An Alex herzlichen Dank für seine treue, nicht immer fehlerfreie Post und herzlichen Gruß. Ebenso Grüße an den schweigsamen, aber lieben Bernhard. Liesel und Leni, die beiden Unzertrennlichen sind natürlich nicht vergessen.
Mit besonderer Herzensanteilnahme bringe ich Mutter und Elisabeth meine Glückwünsche u. Grüße zu ihrem Namensfeste dar. Möge Gott Euch segnen, ich bete darum mit ganzer Innigkeit. - Mir geht es den Verhältnissen nach gut. Mit dem Magen komme ich noch immer gut und ohne Schwierigkeiten zurecht. Es ist einfach erstaunlich, wie ordentlich er sich führt.
An Pötz habe ich geschrieben. Wenn Du, liebe Mutter, noch nicht dort warst, brauchst Du nicht hinzugehen. Er soll Dir das Geld nach Kupferdreh schicken. Das Buch von Neuß kannst Du doch auf Deutsche Bank Essen oder Sparkasse Kupferdreh übertragen lassen.
Wie geht es Dir, liebe Lisbeth ? Du darfst Dich nicht beunruhigen, wenn einmal die Post nicht so pünktlich oder regelmäßig ist. Es läßt sich das wohl nicht vermeiden, dabei kann ich ja auch zur Beschleunigung nichts tun. Also immer Geduld u. Gottvertrauen; Er wird schon alles recht machen, wie es zu unserm Besten ist.
Nun, liebste Mutter, herzlichen Dank für Deine Sorgen, Gedanken, Gebete u. lieben Worte; für Deine großen Opfer, Deine Liebe u. Treue. So Gott will und es fügt, will ich Dir alles gut machen. Bis dahin bleibe ich in Deiner großen Schuld. Ja, es ist eine schwere Aufgabe für Dich mit den sechs Kindern und der Sorge um den siebten, den Vermißten. Wenn ich Dir doch nur helfen könnte! Ich kann es nur durch das Gebet und daran, Teuerste, lasse ich es nicht fehlen. Ich grüße Dich von ganzem Herzen. Bitte grüße die Kinder, Berny, Marianne, Elisabeth, Alexander, Bernhard u. Leni. Denke mit mir an Klaus. Grüße an die Opas, an Deine und meine Geschwister, alle Freunde u. Bekann-ten.

In steter Treue und Liebe

Dein Nikel.

Dank für die Briefmarken, die Berny im vorigen Brief mitgeschickt hatte. Für Tante Lene: Im November werde ich besonders auch an Heinrich denken.


Klicken Sie für mehr zu diesem Thema Zum nächsten Brief

[Zurück]