Brief vom 11.09.1944 an die Familie

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Fürstenberg, d. 11.9.44

Herzliebste Mutti!
Ihr lieben Kinder groß und klein!

Ich glaubte Euch noch nicht im Besitz meines ersten Briefes, da bekam ich bereits am Samstag, den 9.9., Eure Antwort vom 6.9. in die Hand. Welche Freude. Ich kann sie Euch nicht beschreiben. Und abends spät kam noch ein kleines Päckchen mit Pfirsichen aus unserem und sicher auch aus Nachbars Garten. Vielen, vielen Dank, Ihr Lieben alle. Wie reich war ich an diesem Tage schon beschenkt durch Brief und Päckchen. Das will ich Euch nicht vergessen. Ihr wißt, wie sehr ich immer an der Familie gehangen habe. Ja, Ihr wart hier mein ein und alles. Mehr noch bin ich in diesem Monat der Trennung mit Euch zusammengewachsen. Meine Gedanken sind bei Euch bei Tag und Nacht, bei Dir, liebste Frau, und bei den sieben Kindern. Möge uns ein gnädiger Gott wieder zusammenführen. Auch unseren Klaus. Dann will ich für Euch nur noch Liebe und Güte sein. Ich hätte beides noch viel mehr in der Vergangenheit üben sollen. In diesen Wochen ist mir klargeworden, daß wir nicht mehr zu tun vermögen, als Liebe zu säen und Güte auszuteilen. Es ist das Höchste, was wir vermögen. Ich möchte es so gern an Euch tun und immer wieder tun.
Liebste Lisbeth! Ja, so tapfer und mutig habe ich Dich mir vorgestellt in diesen Wochen. So gottvertrauend und unverzagt. So wie Du auch die Last und Sorge der großen Familie still und unverdrossen getragen hast. Habe Dank, vielen herzinnigen Dank, Du Gute, Teure, für alles, was Du mir in langen Jahren gegeben hast und in diesen Stunden gibst. Ich bleibe immer in Deiner Schuld. Aber herzlichen Dank auch an die Kinder. Welcher Gottessegen, solche Kinder zu haben. An Berny denke ich immer. Sie ist ein gutes, tapferes Mädel. Ich grüße sie und ihren Michael. Und die liebe Marianne, auch sie ist nicht vergessen. Am 15.9. beginnt sicher ihre Arbeit beim Carlswerk. Einen herzlichen Gruß nach Kupferdreh an die fröhliche Elisabeth und die kleine Leni (auch an Tante Lenchen). Ich denke an alle und bete für alle. Herzlichen Glückwunsch an Leni zu ihrem 5. Geburtstage am 29. September. Gruß und Dank an den treuen Alex nach Baienfurth. Er soll mich nicht vergessen, und wie er es macht, so ist es recht. Dem braven Bernhard einen Gruß nach Herdorf. Er soll dort bleiben, es ist am besten so. Überhaupt würde ich auf jeden Fall alles so lassen, wie es war und ist. Und Gruß auch an die lieben Freunde und guten Nachbarn. Ich kann nur sagen und bitten: Vergelt es Gott!
Und dann kam gestern nachmittag, am Sonntag, das große Paket und noch Pfirsichpäckchen an. An alles habt Ihr gedacht, für alles gesorgt und geschafft: Wäsche, Rasierzeug, Toilettenartikel, Brot, Honigkuchen, Zwieback, Wurst, Butter, Käse, Ölsardinen, Marmelade, sogar Zigaretten und Karamellen. Auch Magnesia und Briefpapier nicht vergessen. Ich komme mir vor wie ein steinreicher Mann. Alles war gut erhalten. Nur die Marmelade hatte sich »selbständig« machen wollen, aber es war gut gegangen; nur ganz wenig war ausgelaufen und hatte nichts beschmutzt. Der Spiegel war zerbrochen, schickt bitte einen neuen. Wie soll ich Euch danken? Wie es Euch gut machen? Ich kann nur für Euch beten. Und das will ich tun, so viel und so innig ich es vermag. Tausendfachen, heißen Dank. Aber bitte: für die Zukunft nur Brot (ich kann auch Urlauber- u. Reisemarken gebrauchen) und etwas zum Aufstreichen. Dann bin ich reichlich zufrieden. Also bitte nur Brot und Aufstrich, vielleicht einige Zigaretten. Ihr dürft meinetwegen nicht Not leiden. Schickt keine Butterdose, aber Hut, Schal, Weste, Buttermesser und Schnürsenkel, Fotos.
Mir geht es gut, der Magen hat sich noch nicht bemerkbar gemacht. So bin ich den Umständen nach zufrieden. Habt Ihr Kartoffeln im Keller? Wie steht es mit Kohlen? Com-mertz soll die Heizung nachsehen lassen: Vorderseite des Kessels ist undicht. Hast Du Honorar von Kolmar bekommen und den Scheck von Pötz eingelöst? Bei wem ist Liesel im Pflichtjahr? Kommst Du auch wegen Geld nicht in Not? Wie steht es mit den Angriffen? Hoffentlich bleibt Ihr verschont. Die Kinder können mir schreiben, ohne daß Deine Post dadurch verkürzt wird. Schreibt bitte bald!
Nun Dir, teuerste, liebste Mutter, von Herzen kommende Grüße. Noch einmal tausend Dank für alle Liebe und Guttat. Jedem Kind einen herzinnigen Gruß. Grüße an alle Freunde und Bekannte, Opa Groß u. Koch. Euch allen
Gruß:

Vater.

Absd.
Nikolaus Groß
p. A. Herrn Krim. Rat Lange (3) Fürstenberg, Meckl. Sicherheitspolizeischule Haus 51


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