Piekary 2003

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Nikolaus Groß lebte in den Jahren 1898 - 1945. Er wurde in einem kleinen Ort im Ruhrgebiet geboren, er arbeitete im Bezirk Essen. Er war Bergmann, Sekretär der christlichen Gewerkschaften der Bergarbeiter, Chefredakteur der "Westdeutschen- Arbeiter-Zeitung". Groß war Kurier der Widerstandsbewegung. Er hatte sieben Kinder. Am 7. Oktober 2001 hat ihn Johannes Paul II selig gesprochen. Sein jährlicher Gedenktag ist am 23. Januar.

Während der Seligsprechung des Deutschen Nikolaus Groß hat Johannes Paul II plötzlich aufgeblickt. - "Von nun an werden die Bergleute ebenfalls ihren eigenen Schutzheiligen (Patron) haben" - sagte er. Es wäre in diesem Satz nichts außergewöhnliches, wenn nicht die Tatsache, dass der Heilige Vater ihn... auf Polnisch ausgesprochen hat.

Die große Menge der deutschen Katholiken hat diese Worte nicht verstanden. Allerdings waren dort ebenso zwei Bischöfe aus Polen anwesend: der Kattowitzer Erzbischof Damian Zimon, Sohn eines Steigers aus der Nähe von Rybnik und der Tarnower Bischof Wiktor Skworc, der selbst ein Jahr lang auf der Zeche Bielszowice gearbeitet hat. Es sah danach aus, dass der Heilige Vater diesen Satz für sie ausgesprochen hat.

Geschwitzt, in der Hitze und im Lärm der Zeche
Wer war also der selig gesprochene Bergmann aus Essen? Er war Sohn eines Bergbauschmiedes und er schämte sich niemals seiner Abstammung.
Nikolaus war auch Arbeiter in der Hütte und im Walzwerk (Blechwalzwerk). Er war Klempner - er wechselte jedoch seine Arbeit, weil der Beruf des Bergmanns sein Traum war. Nikolaus Groß arbeitete fünf Jahre unter Tage. Dies war eine schmutzige Arbeit: er haute Kohle, schob und zog die Wagen mit Kohle.
Damals litt er sehr unter Magenschmerzen. Trotz der Schmerzen arbeitete er unter Tage unter schweren Bedingungen. Er musste doch für den Unterhalt der sieben Kinder sorgen. Allerdings war seine Krankheit lebensbedrohlich. Letztendlich unterzog sich Nikolaus einer Operation. Er arbeitete nicht mehr unter Tage, sondern in der Abteilung für Rechtsschutz der Bergarbeiter. Er wurde zum Gewerkschaftssekretär der Bergarbeiter gewählt. Schließlich übernahm er den Chefredakteurposten der "Westdeutschen- Arbeiter-Zeitung".

Die Kinder der Familie Groß. Leni hält ein Maskottchen. Der erste von rechts ist Bernhard, der zweite - Klaus.

Leg den Hammer ab, leg die Handschellen an
Köln, Ende des Jahres 1944. - Vati, wohin gehst du? - fragt die vierjährige Leni. Sie versteht nicht, warum ihr Vater in Begleitung von zwei Gestapo-Männern herausgeht. Dabei versteckt der Vater noch das Notizbuch unter der Bettdecke. Seine Verhaftung überrascht ihn nicht. Groß rechnete mit Gefängnis. Sie holten ihn ab, als er die nach dem Bombenangriff entstandenen Schäden beseitigte. Mit Ruhe erwartete er den Besuch; in diesem Augenblick reparierte er die Fensterrahmen mit dem Hammer. So wie er stand, in einem Arbeitsanzug und mit dem Hammer in der Hand, setzte er sich hin zu einem Gespräch mit der Gestapo. Er wurde wegen Beteiligung am Hitlerattentat (am 20. Juli 1944) angeklagt.
Elisabeth, seine Frau, hatte sich ergebnislos um seine Begnadigung bemüht. - Nikolaus ist der einzige Familienernährer. Wir haben sieben Kinder. Der älteste Sohn Klaus ist an der Front vermisst - argumentierte die Ehefrau beim Justizminister. Die Verdienste von Nikolaus im Kampf gegen den Kommunismus halfen auch nicht. Elisabeth versuchte den Nuntius zu erreichen - er weilte nicht in Berlin. Letztendlich ist es ihr gelungen, den Erzbischof zu errei-chen. Die Hilfe kam um sieben Tage zu spät. Nikolaus Groß wurde erhängt.

Zeige nur, mein Sohn, dein Zeugnis!
- Er war ein sehr stiller Mensch. Ein Mensch der Kontemplation. Aber bei uns zu Hause gab es viel Freude - sagt Bernhard, der jüngste Sohn von Nikolaus. Er ist heute 68 Jahre alt, er hat Frau, Kinder und Enkelkinder. Als sein Vater starb, war er 9 Jahre alt. - Wir musizierten zu- sammen. Es waren eine Geige, eine Flöte und Gesang. Mein Vater hatte einen ausgezeichne-ten Sinn für Humor. Normalerweise rasierte er sich bei geschlossener Tür, aber am Tage der Zeugnisvergabe ließ er die Badezimmertür geöffnet und mit lauter Stimme sang er die Sequenz vom Gerichtstag: "Es ist der Tag des Zorns, der schreckliche Tag...!" - mit einem Lächeln erinnert sich Bernhard daran.
- Der Vater organisierte für uns Ausflüge ins Blaue. Zusammen mit der Mutter hat er sie sorgfältig vorbereitet und vor uns geheim gehalten. Einmal war unser Ziel das Schloss in der Gegend von Köln, ein anderes Mal fuhren wir ins Gebirge, in den Botanischen Garten oder einfach an den Rhein.
Nikolaus führte ein Leben wie andere Ehemänner und Väter. Er hatte mit solchen Situationen zu tun, wie z.B. verknoteten Schuhbändchen des Kindes, in einem Augenblick, in dem die Uhr den Anfang der ersten Unterrichtsstunde in der Schule schlug. Seine Geduld wurde auf die Probe gestellt, wenn die Kinder aus dem Gartentor ein Karussell machten. Er kämpfte mit den Aufgaben des Alltags, der aus solchen Kleinigkeiten bestand, wie dem Flicken der zerrissenen Hose, wie dem Einkauf des Brotes oder der Arzneien gegen Fieber, der Bezahlung der Rechnung beim Zahnarzt, dem Geburtstagswunsch des Kindes, dem er geduldig zuhörte und letztendlich richtete er seine Gedanken während des Gebetes auf die Ewigkeit.

Der Tisch - die Familienfestung
Nikolaus war am Morgen zum Frühstück zu Hause, zur Mittagszeit zum Mittagessen und am Abend zum gemeinsamen Abendbrot. Die Mahlzeiten mit der Familie waren für ihn sehr wichtig.
Das wichtigste Möbelstück bei Groß war der Tisch. Im Jahre 1944 hat Nikolaus sogar ein Büchlein geschrieben, unter dem Titel "Sieben um einen Tisch", also der Alltag in einer kinderreichen Familie. Dies war das einzige Andenken, welches er den Kindern hinterließ: dem Alexander, der Marianne, der Leni, der Berny, der Lisel, dem Klaus und dem Bernhard.
"Dieser Tisch an dem wir uns mehrere Male täglich zusammengefunden haben, spielte in unserem Haus eine außergewöhnliche Rolle" - erinnert sich Bernhard. Er diente uns nicht nur zum Essen und zum Trinken, er war die Stätte, an der wir reichlich die geistige Nahrung aufnahmen. An diesem Tisch teilten wir die Freuden des Tages, aber ebenso die Hiobsbotschaf-ten und die Enttäuschungen. Der Vater unterbrach uns nicht, sondern hörte uns mit Aufmerk-samkeit zu.
Unsere schönsten Stunden der Kindheit und der Jugendzeit waren diese, die wir mit den Eltern am Tisch verbrachten, bei Gesprächen über Gott und über die Welt. Der Vater arbeitete viel und musste oft verreisen, aber für Gespräche mit uns hat er immer die Zeit gefunden - sagt er.
Das Haus von Nikolaus Groß steht bis heute in Köln. In unmittelbarer Nähe des Hauses wächst Flieder, den der selig gesprochene Nikolaus selbst pflanzte. Wenn du einmal nach Köln fährst, findest du diese Stelle an der Nikolaus-Groß-Straße.

Die wunderbare Rückkehr des ältesten Sohnes
Die Familie war für ihn der Mittelpunkt und der Erfolg seines Lebens. Sie gab ihm die Kraft, um das Gefängnis zu überstehen: "Ihr könnt es euch gar nicht vorstellen, mit welch einer Freude ich an euch schreibe! Mein ganzer Tag erstrahlt davon" - so lesen wir in den Briefen aus dem Gefängnis. "In diesem Jahr sind meine Hände leer. Gute Dinge des Leibes habe ich euch nicht zu bieten, aber an jedem Tag schicke ich euch hunderte Päckchen: meine Gebete um eine gesegnete und gottesgnadenreiche Weihnacht" - schrieb er einen Monat vor der Hin-richtung.
"- Ich kann mich nicht an Vieles erinnern, aber woran ich mich gut erinnern kann, es war Vaters Idee, sonntags die heilige Messe für unseren Bruder Klaus zu besuchen -" erwähnt Bernhard. - Jeder von uns ging im Wechsel sonntags zweimal zur Kirche stellvertretend für Klaus, der in Russland vermisst war. Wir behielten diese Regelung bis zum Jahre 1948 fort, bis zum Tage, an dem unser Bruder unerwartet zurückkehrte.

Hitler schreckt ihn nicht ab
Nikolaus Groß wurde wegen seines Berufes als Bergmann und wegen seiner Krankheit vom Militärdienst befreit. Aber er nahm keinen Abstand vom Widerstand gegen Hitler. Er war Kurier der Widerstandsbewegung. Er traf sich mit anderen Verschwörern unter dem Vorwand der Teilnahme am Arbeitskreis für Männer-Seelsorge.
Als Chefredakteur der "Westdeutschen-Arbeiter-Zeitung" brachte er seine kritische Stellung- nahme zu Hitlers Handlungen zum Ausdruck. Er traute sich z.B. über die Juden zu schreiben, dass sie ein auserwähltes Volk sind. Als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, schrieb Nikolaus: "die NSDAP - Mitglieder sind die Todesfeinde des Staates. Ihre Handlungen sind nicht christlich und erst recht nicht katholisch!" Daraufhin wurde er zum ersten Mal gerügt, beim zweiten Mal hat man den Druck der Zeitung eingestellt. Beim dritten Mal wurde Nikolaus Groß verhaftet.
"Stets verfolgt mich die Frage: - `Vati, wohin gehst du?`, die mir Leni stellte. Weil dies die letzten Worte waren, die ich von euch gehört habe. Aber ich weiß auch, dass ich dahin gehe, wohin mich der Wille Gottes weist" - schrieb er an die Familie aus dem Gefängnis.

Das erstrahlende Gesicht in Anbetracht des Märtyrertums
"Die ersten und die eigentlichen Interpreten (Ausleger) der Bibel sind die Heiligen: Men- schen, die durch ihr Leben dem Gottes Wort die Farbe, die Form und das Blut geben" - sagte der Bischof Hubert Luthe anlässlich des 50. Todestages von Nikolaus Groß.
Das Bild aus seiner Gerichtsverhandlung in Berlin blieb erhalten. Im Hintergrund sieht man finstere, im Hass verbissene Gesichter der Soldaten. An der Wand hängt ein Hitler-Porträt, welches Nikolaus Groß absichtlich niemals in seiner Zeitung veröffentlichte. Und im Vordergrund erstrahlt sanftmütig das Gesicht von Nikolaus. Groß lebte von Gebet. "Beten bedeutet ständig erneut, vertrauensvoll, und demütig mit dem ganzen Leben zu Gott gehen" - so meinte er.
In den Briefen aus dem Gefängnis schrieb er: "Denkt nicht, dass ich hier einsam bin, im Gebet in jeder Stunde bin ich euch nah." Als er im Gefängnis war, hörte er nicht auf, von Gottes Liebe zu schreiben: "Was wäre dies für eine öde Stätte, die Erde mit ihrer Sonne, Blumen, Früchten, herrlichen Gerichten, mit schönen Trachten, wenn es nicht diese Liebe gäbe."

Die Begründung der Todesstrafe lautete: "Er schwamm im Strom des Verrates mit den Anderen, folglich muss er jetzt mit ihnen darin ertrinken." Nikolaus sagte lediglich: "Alles was ich gesagt habe, bestätige ich."
Vor der Hinrichtung empfang er die heilige Kommunion. In der Prozession ging er zusam-men mit neun anderen Verurteilten. Er ging aufrecht, mit seiner Ruhe zog er die Aufmerk-samkeit auf sich. Die Verurteilten gingen bis zur Hälfte nackt, mit nach hinten gefesselten Händen. Während der Gefängniskaplan den Segen erteilte, neigte er den Kopf.
Die Zeugen sagen, dass sein Gesicht erstrahlte/strahlte.

Autorin des Artikels: Joanna Procek
Deutsche Übersetzung: Frau Janusz-Kiwic

Nikolaus Groß während der Gerichtverhandlung in Berlin

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