Nikolaus-Groß-Musical

am 30. September 2001 in der Grugahalle Essen

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Das Plakat des Nikolaus-Groß-Musicals

Eine Andacht - mit Feuer und Gebet

Groß-Musical in der Gruga, nachdenklicher Höhepunkt auf dem Weg nach Rom

Sonntag, 30.09., wenige Minuten alt ist der Abend in der Essener Gruga - unter den 230 Musical-Aktiven aus St. Barbara, Mülheim-Dümpten, ist Proben-Hektik nun verflogen. Auf der Bühne klagt ein Saxophon, geblasen von Markus Zaja. Im Auf und Ab der Töne trägt es den 5000 Zuhörern, die zum über dreistündigen Nikolaus-Groß-Musical gekommen sind, Melodien vor. Sie machen nachdenklich, sind meditativ. Eine Andacht - sagen Bischof Hubert Luthe und Musical-Autor Stadtdechant Manfred von Schwartzenberg zur Begrüßung - soll das Musical werden, ein geistliches Erlebnis mit Zeit zum Nachdenken über den Widerstandskämpfer und ersten Seligen des Bistums.

Das Singspiel startet mit einer schrecklichen Szene: "Vater, wohin gehst du", schreit ein kleines Mädchen, Leni Groß (Carolin Langlitz), den Zuschauern entgegen, während in orangerotem Feuer das Foto-Porträt des Nikolaus Groß auf einer Riesen-Leinwand "verbrennt". Übrig auf dem Bild bleibt nur ein Baby - Bernhard, der Vater hielt ihn zuvor in seinen Armen.

Bernhard Groß, heute 67 Jahre alt, ist in der Gruga Gast - mit seiner Frau Hildegard, seiner Schwester Berny und seinen fünf noch lebenden Kindern. Mit den Tausenden erlebt er die Aufführung, deren Entstehen er selbst auf Wunsch der Darsteller/innen in Gesprächen und durch Probenbesuche begleitet hat. Deshalb sind die Szenen authentisch, es geht um das Leben der neunköpfigen Familie Groß bis zum Märtyrertod des Vaters. Fotos und Filmszenen illustrieren dazu auf der Leinwand die politische Situation zwischen 1918 bis 1945. "Dass Vater seinen Weg ging, ohne sich zu verbiegen", sagt Bernhard Groß, "hat uns viel auf unseren Lebensweg mitgegeben. Mehr, als wenn er uns länger erhalten geblieben wäre."

Dem Nikolaus Groß verleiht Tim Timmer (21) auf der Bühne mit rauchig bewegter, aber sehr klarer Stimme Profil. Songs und Szenen zeigen ihn als Bergmann, Arbeitersekretär, Redakteur und NS-Gegner. Und seine Frau Elisabeth (Verena Rützel) erscheint als die, die sein Wirken stützt und prägt..

"Großer Gott wir loben dich..." Kirchliches Selbstbewusstsein im politisch bedrohten Alltag intonieren zur Ketteler-Wallfahrt knapp 100 Sänger/innen im Chor. Mit Fahnen und Bannern setzen sie vor dem (Leinwand-)Bild des Mainzer Domes ein Großereignis in Szene, das Nikolaus Groß und die Kölner KAB-Zentrale 1934 organisierten. Das Volk stellen der Cantamus-Chor und der Kirchenchor St. Barbara, der Männerchor, die KAB sowie der Chor der Werdener Marienschule, deren Instrumentalisten auch das Mülheimer Orchester verstärken.

Zurück nach Mainz: Stimmgewaltig stört plötzlich ein SA-Mann die Andacht, er kündigt die Übertragung einer Rede des Reichskanzlers Hitler an, also eine willkürliche Unterbrechung der kirchlichen Feier. Die Menge antwortet mit Pfiffen, bis sie den NS-Mann mit ihrem Rosenkranzgebet übertönt. Es folgt ein Gelöbnis: "Wir widerstreben und widersagen jedem neuen Heidentum, geloben Treue dem dreieinigen Gott."

Dass Bedrohung für engagierte Christen im NS-Staat allgegenwärtig ist, symbolisieren Tänzerinnen in schwarzen Gewändern. Ihre fahlweiß geschminkten, aber auch dunkel schattierten Gesichter, erinnern an apokalyptische Bedrohungen durch die Staatsmacht, die für Hellsichtige bereits 1933 ein künftiges Blutvergießen herauf beschwört Die Tänzerinnen zerreißen auch das Ruhrwort - Symbol für die Vernichtung der konfessionellen Presse, auf die Bücherverbrennung folgen wird.

"Weine nicht, Bernhard..." singt Nikolaus Groß Jahre später gegen alle Bedrohung seinem achtjährigen Sohn ein Lied. Bernhards Patenonkel Letterhaus, erklärt er dem Kind, muss nach Gesprächen in Widerstandskreisen auch in der Wohnung der Familie Groß unerkannt bleiben. "Nur ein falsches Wort, dann bringt man uns ins Gefängnis." Eine Befürchtung, die für Groß selbst nach dem gescheiterten Hitler-Attentat 1944 Wirklichkeit wird.

Monate später, Berlin-Tegel: Militärflugzeuge nahen auf der Leinwand. Feuerwerks-Effekte simulieren Explosionen, Menschen suchen zusammengekauert in Luftschutzkellern Schutz. Inmitten dieser Szenerie des nahenden Kriegsendes sucht Elisabeth Groß politische Kontakte, bittet erfolglos um die Haftentlassung ihres Mannes. Nur zwei Besuche in der Todeszelle sind Ergebnis ihrer Bitten, ihres Kampfes.

Was nach der Hinrichtung bleibt? Die Erinnerung und der Abschiedsbrief des Nikolaus Groß, Segen und sein Gebet für die Familie. Gedruckte Briefe, die als Glaubenszeugnis auch heute nachfolgende Generationen bewegen. Nach der Aufführung füllen erneut Saxophonklänge die Halle. Der Bischof spricht den Segen - auch für Opfer von Verfolgung in heutiger Zeit. Was die Menschen empfinden? Nach tosendem Beifall für eine großartige Aufführung eine verhaltene Stille. Nikolaus Groß, das spüren alle, hat als Mensch und Christ vieles mitzuteilen. Vieles, das bleibt, auch nachdem Bilder verflogen und Feuereffekte verraucht sind.

Ruhrwort 06.10.2001


Ausschnitt aus dem Plakat des Musicals

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