22.01.2023:

Nikolaus Groß, ein Mann für unsere Zeit

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Predigt von Weihbischof Ludger Schepers

Liebe Schwestern und Brüder,

widerstandsfähig wollen wir alle sein. Wir ernähren uns gesund und sorgen dafür, dass wir, gerade in dieser Winterzeit, genügend Vitamine erhalten, um für Zeiten erhöhter Ansteckung widerstandsfähig zu sein. Es ist sinnvoll, sich gegen Krankheiten auch impfen zu lassen. Das haben wir in Corona-Zeiten neu gelernt. Das Bewusstsein für richtige Ernährung und gesundes Leben ist in den letzten Jahren enorm gestiegen: Eine gesunde Basis macht widerstandsfähig. Nur wer widerstandsfähig ist, kann Widerstand leisten. Und Widerstand zu leisten ist Aufgabe der Christen:

Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung,
Widerstand gegen Hunger und Armut,
Widerstand gegen die zunehmende Rüstung auf der ganzen Welt,
Widerstand gegen unmenschlichen Bürokratismus und nur durch Computer programmiertes Menschsein,
Widerstand gegen das Zersetzen unserer demokratischen Ordnung,
Widerstand gegen die Aushöhlung des Sonntags,
Widerstand gegen Einsamkeit und Isolation,
Widerstand gegen alles, was die Würde des Menschen verletzt,
um nur einiges zu nennen.

Wie widerstandfähig sind wir als Christinnen und Christen? Wie fähig sind wir zum Widerstand? Was die Gesundheit anbelangt, haben die meisten von uns einen gesunden Standpunkt. Wir bringen Zeit und Mühe auf, uns die nötigen Informationen zu beschaffen, um widerstandsfähig, d. h. gesund, zu bleiben. Und wer krank ist, hat auch in der größten Hetze des Alltags Zeit für den Arzt. Und bittere Arznei wird bereitwillig geschluckt. Was unsere Gesundheit anbelangt, haben wir einen festen Standpunkt: Wir wissen, was wir wollen.

Und als Christinnen und Christen: Haben wir auch da einen festen Standpunkt, wieviel Zeit, Unbequemlichkeit, Gespräch wir aufbringen, um geistlich gesund zu bleiben? Wofür stehen wir? Haben wir eine Basis, die uns trägt? Wie widerstandsfähig sind wir?

Wir leben in einer Zeit großer geistiger Auseinandersetzungen. Viele Menschen erkennen, dass viele Entwicklungen krank machen, ja sogar tödlich sein können. In das Haus der Welt braust, um im Bild der Heiligen Schrift zu bleiben, der Wind, und der Regen stürzt nieder und die Bäche schwellen an. Widerstand ist notwendig. Wo ist in unserer Welt eine ernstzunehmende Widerstandsbewegung der Christinnen und Christen in der bunten Palette der weltweiten Bewegungen? Vielfach gibt es hilfloses Achselzucken oder ein angstvolles sich Anpassen an bestehende Verhältnisse, statt energisch dagegen aufzubegehren. Ich weiß, das ist gar nicht so einfach und vieles ist sehr kompliziert. Das spüren wir ja gerade bei den aktuellen Klimaprotesten. (Aktionen der Bewegung: Letzte Generation, Lützerath) An ein Vorbild für Widerstand erinnern wir heute in besonderer Weise. Der selige Nikolaus Groß hat hellsichtiger als viele andere Menschen erkannt, dass das nationalsozialistische Regime die vollständige Unterwerfung des Menschen verlangte und damit in einem grundlegenden Widerspruch zum Glauben und zur Kirche stand. Aus dieser Erkenntnis hat er gesagt: "Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und unserem Gewissen einmal bestehen." In einem Blechwalzwerk und als Bergmann hat seine berufliche Laufbahn begonnen. Die Chancen der persönlichen Weiterbildung nutzend hat er bereits mit 22 Jahren Aufgaben, in denen er als Gewerkschaftssekretär Verantwortung für andere übernimmt. Arbeit und gesellschaftliche Verpflichtungen sind für Nikolaus Groß der Ort, wo er seinen Glauben lebt. Sein Leben ist vor allem eine Ermutigung für die, die sich gesellschaftlich an den Rand gedrängt oder wenig beachtet fühlen. Er weiß, dass der Ruf Jesu allen Menschen gilt und dass er in der Geschichte nicht selten von den Einfachen und Ohnmächtigen eher als von Vornehmen und Mächtigen gehört wurde. Ich möchte an dieser Stelle auch Elisabeth Groß nennen. Im Mai 1923 - vor 100 Jahren - heiraten die beiden, 1937 haben sie sieben Kinder. Ohne Elisabeth hätte er nicht tun können, was er tat. Sie hielt ihrem Mann den Rücken frei für seine vielfältigen Aufgaben und seine ausgedehnte Reisetätigkeit. Es wird auch von ihr berichtet, dass sie, soweit es möglich ist, im Bewusstsein christlicher Verantwortung nur dort einkauft, wo sie weiß, dass die Besitzer der Läden auf das Einkommen besonders angewiesen sind. Auch sie hat ein ausgeprägtes Empfinden für Recht und Gerechtigkeit. Mit ihrem Mann erkennt sie früh, wohin die NS-Gewaltherrschaft führen muss. Beiden gemeinsam ist ihr Halt im Glauben an Gott. Aus ihm schöpfen sie die Kraft für ihr Tun. Ihr Glaube ist auf diesen Felsen gebaut in den Strömungen ihrer Zeit.

Was würden uns die beiden heute sagen, damit wir in rechter Weise den Anforderungen unserer Berufung entsprechen können und die eigene Aufgabe in Familie und Gesellschaft aus christlichem Geist erfüllen?

Um widerstandsfähig zu werden in einer Welt, die des Widerstands bedarf, gibt es nur eine Basis: Jesus Christus selbst.

Wir könnten von ihnen lernen; Es kommt auf den Standpunkt an: "Lasst nicht nach in eurem Eifer, verabscheut das Böse, haltet fest am Guten." "Die meisten großen Leistungen entstehen aus der täglichen Pflichterfüllung in den kleinen Dingen des Alltags. Dabei gilt unsere besondere Liebe immer den Armen und Kranken."

Uns allen sei aufgegeben, in leidenschaftlichem Eifer uns für das Bekenntnis des Glaubens in Wort und Tat einzusetzen, das Gute festzuhalten und das Böse nicht zu tun.

Bemerkenswert dabei ist trotz aller Not Nikolaus' Sorge um die Familie, um die er sich seit der Haft nicht mehr persönlich kümmern kann. Aber da ist keine Klage zu hören. "Das Ausbleiben der Post hat mich in große Unruhe versetzt. Die Angriffe bei Euch werden heftig und häufig sein. Wenn Post ausbleibt, kann es nicht an euch liegen. Ihr werdet schreiben. Es kann nur sein, das Angriffe die Beförderung hindern. Hoffentlich treffen Euch die Angriffe nicht. Ihr werdet viel auszuhalten haben. Gott schütze Euch."

Oder in seinem Abschiedsbrief: "Manchmal habe ich mir in den langen Monaten der Haft Gedanken darüber gemacht, was wohl einmal aus Euch werden möge, wenn ich nicht bei Euch sein könnte. Längst habe ich eingesehen, dass Euer Schicksal gar nicht von mir abhängt. Wenn Gott es so will, dass ich nicht mehr bei Euch sein soll, dann hat er auch für Euch eine Hilfe bereit, die ohne mich wirkt." Er erinnert an die gemeinsame Zeit mit Elisabeth: "Wieviel umfassen diese 24 Jahre. Vieles Schwere und Leidvolle, doch auch viel Glück und Freude. Das Gute und Schöne hat immer das andere überwogen. Besonders Ihr, Du und die Kinder, habt für mich Glück bedeutet."

"Habt keine Trauer um mich - ich hoffe, dass mich der Herr annimmt. Hat er nicht alles wunderbar gefügt. Er ließ mich in meinem Hause, in dem ich auch in der Gefangenschaft manche Liebe und menschliches Mitgefühl empfing. Er gab mir über 5 Monate Zeit - wahrlich eine Gnadenzeit - mich auf die Heimholung vorzubereiten. .... Alles das hätte ja auch anders sein können. .... Muss ich nicht Gottes weise und gnädige Fügung preisen und ihm Dank sagen für seine Güte und väterliche Obhut? ... Gott hat mir damit gewiss eine große Gnade erwiesen. ... Ich habe für jeden von Euch einen Spruch oder Andachtsbildchen mit einem persönlichen letzten Wort versehen. Möge es jedem eine kleine Erinnerung sein auch zu der Bitte, mich im Gebet nicht zu vergessen." (Abschiedsbrief)

Sein Auftrag an uns: Alles zu tun, was möglich und nötig ist, aber so, dass Gott vollenden kann. Von ihm her zu denken, so schreibt Nikolaus Groß: "Gott verlässt keinen, der ihm treu ist." "Gott schickt uns nicht mehr, als wir tragen können." Und er weiß um die Nähe des Gebetes auch mit seiner Familie. "Durch das Gebet bleibe ich euch in jeder Stunde nah." "Der Name des Herrn sei gepriesen. Sein Wille soll an uns geschehen. Fürchtet nicht, dass Angesichts des Todes große Sturm und Unruhe in mir sei. Ich habe täglich immer wieder um die Kraft und Gnade gebeten, dass der Herr mich und euch stark mache, alles geduldig und ergeben auf uns zu nehmen, was er für uns bestimmt oder zugelassen. Und ich spüre, wie es durch das Gebet in mir still und friedlich geworden ist." (Brief 143) "Lasst nicht nach mit eurem Eifer, verabscheut das Böse, haltet fest am Guten. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet." Die Worte des Paulus mögen uns Weisung sein, ja sie können das Leben kosten. So wie Nikolaus Groß und seine Frau in der Eucharistie und im Gebet Kraft und Nahrung empfangen haben, so möge die Kommunion auch uns stärken, damit in der Nachfolge Jesu auch unser Glaube wachse und sich bewähre und wir Widerstand da leisten, wo immer die Würde auch nur eines Menschen bedroht ist.

Amen.

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