07.10.2013:

Vortragsabend zum 150. Jahrestag der KAB und zum 12. Jahrestag der Seligsprechung von Nikolaus Groß

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In diesem Jahr feiert die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) in Hattingen-Niederwenigern ihr 150 jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass und zum Gedenken an den 12. Jahrestag der Seligsprechung des aus Niederwenigern stammenden Arbeiterführers, Widerstandskämpfers und Glaubenszeugen Nikolaus Groß fand in Hattingen ein Vortragsabend statt. Hauptreferent war Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Landtagsfraktion der CDU NRW und Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).

Eine Mitschrift von Bernhard Nadorf:

Der 12. Jahrestag der Seligsprechung von Nikolaus ist in diesem Jahre eingebunden in das 150-jährige Jubiläum der KAB Niederwenigern. Zu Beginn des Vortragsabends im Anschluss an den feierlichen Gottesdienst im Mauritiusdom zu Niederwenigern verliest der Vorsitzende der KAB ein Grußwort von Herrn Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert und des örtlichen Bundestagsabgeordneten Herrn Dr. Brauksiepe, die beide wegen dringender Termine in Berlin absagen mussten. Er dankt dem Fraktionsvorsitzenden der CDU im Düsseldorfer Landtag und Bundesvorsitzenden der CDA, Herrn Karl-Josef Laumann, dass er kurzfristig zugesagt hat, den Festvortrag zu halten.

Herr Laumann begrüßt die teilnehmenden Mitglieder der KAB und der Pfarrgemeinde. Er weist zu Beginn seiner Ausführungen darauf hin, dass er seit vielen Jahren Vorsitzender der KAB im Kreis Steinfurt ist, die 5.000 Mitglieder umfasst. Er gratuliert der KAB zu ihrem 150-jährigen Jubiläum und betont die Leistungen der KAB in den Mitwirkungsgremien in Betrieben und der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen sowie in den Parlamenten. Die Weltanschauung der KAB gründet auf dem christlichen Menschenbild und der katholischen Soziallehre. Sie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem von Bischof Ketteler entwickelt, damals Pfarrer in Hopsten und erster frei gewählter Abgeordneter der Region. Ursprünglich vertrat Ketteler den jetzigen Wahlkreis (in territorial abgewandelter Form) des vortragenden Redners in der Paulskirche zu Frankfurt.

Die katholische Arbeiterbewegung ist Bischof Ketteler, einem Zeitgenossen von Karl Marx, zu Dank verpflichtet, weil er im Gegensatz zu Liberalismus und Kommunismus den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt seiner Weltanschauung gestellt hat – und dies in der Zeit der Industrialisierung im Zeichen des Frühkapitalismus, als die Arbeitswelt von Ausbeutung und Kinderarbeit geprägt war. Bischof Ketteler hat aus seinem Glauben heraus betont, dass jedem Menschen als Geschöpf Gottes eine unverwechselbare personale Würde zukommt.

Auf dieser Grundlage entwickelten er und seine Mitstreiter die Grundzüge der katholischen Soziallehre, die dann später das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik mitprägte: die Soziale Marktwirtschaft. In diesem Zusammenhang verweist Laumann auf die große programmatische Rede Konrad Adenauers in der Universität Köln im Jahre 1946, in der dieser der Wirtschaft und dem Staat eine dienende Funktion zuweist. Nicht der Mensch hat der Wirtschaft zu dienen, sondern die Wirtschaft dem Menschen. Die Bedeutung des christlichen Menschen- und Weltbilds zeigt sich auch darin, dass die Präambel des Grundgesetzes mit der Wendung beginnt: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…“.

Die katholische Arbeiterbewegung Deutschlands hat einen wichtigen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet. Sie wandte sich in der Tradition Kettelers stets gegen den atheistischen Materialismus, der sich im Liberalismus, im Kommunismus und im Faschismus zeigte. Er hat nicht zuletzt in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gewütet. Damals sprach man im rassistischen Wahn vielen Menschen das Recht auf Existenz ab, vor allem den Juden. Auch politisch Andersdenkende – wie Nikolaus Groß – wurden verfolgt. Dies führte zur größten Katastrophe in der deutschen Geschichte. Nicht alle Deutschen waren im engeren Sinne Täter, viele aber zählten zu den Mitläufern, die ihren Mund hielten; nur wenige haben sich öffentlich und aktiv gegen das nationalsozialistische Regime ausgesprochen. Zu ihnen zählte Nikolaus Groß, ein Sohn dieser Gemeinde und der KAB. Die katholische Arbeitnehmerbewegung kann mit Recht stolz auf ihn sein. Nikolaus Groß war fest in der katholischen Arbeiterbewegung des Ruhrgebietes verankert und hat daraus die Stärke bezogen, öffentlich dem Materialismus dieser Zeit und der Rassenlehre zu widersprechen. Gerade an seiner großen Leistung wird sichtbar, wie wichtig die Einbindung dieser Persönlichkeit in die Verbände und ihr Wertesystem ist. Sie waren ihnen Stütze und gaben ihnen Rückhalt.

Auch der Kommunismus im Osten Deutschlands fußte auf dem materialistischen Weltbild. Menschen, die in diesem Staat für ihre christliche Grundüberzeugung eintraten, hatten keine Chance, bestimmte Berufe, vor allem im akademischen Bereich, zu ergreifen. Die Wiedervereinigung im Jahre 1989 war ein fundamental wichtiges Ereignis. Der Prozess der Wiedervereinigung wurde getragen von der Sozialen Marktwirtschaft, vom Grundgesetz und seinem Wertesystem. Sie alle sind auch geprägt von der katholischen Soziallehre.

Warum ist die katholische Arbeitnehmerbewegung auch in der heutigen Zeit wichtig? Der Redner macht dies an drei Bereichen deutlich.

Die Familie: Sie ist der Kern jeder Gesellschaft, oder wie es Kolping sagte: “Tüchtige Leute kommen aus tüchtigen Familien“. Daher tritt die KAB für eine Familie aus Mann und Frau ein, ohne die eingetragenen Lebenspartnerschaften abzuwerten.

Der Betrieb und die Wirtschaft: Viele junge Menschen gründen deshalb keine Familie, weil sie nur befristete Arbeitsverträge erhalten. Ihnen fehlt die finanzielle Sicherheit für langfristig und lebenslang bindende Entscheidungen im persönlichen Bereich. Aus Gründen der Planbarkeit und der Sicherheit befürwortet daher die KAB in der Regel den nicht befristeten Arbeitsvertrag.

Der Bereich der Landespolitik: Mit Sorge beobachtet der Vorsitzende der Landtagsfraktion die Entwicklung im Lande NRW, die durch unterschiedliche demographische und wirtschaftliche Strukturen geprägt ist. Während die Menschen Regionen wie Ostwestfalen und das Sauerland verlassen, boomen andere Regionen. Hier ist die Politik gefordert, einzugreifen und gleiche oder vergleichbare Lebens- und Arbeitschancen in allen Regionen des Landes sicherzustellen.

Darüber hinaus ist der Auftrag der KAB nicht zeitlich oder räumlich begrenzt. Die KAB tritt ein für Nachhaltigkeit und für Generationengerechtigkeit ebenso wie für die Einhaltung weltweiter Minimalstandards im Bereich der Arbeit. Als Beispiel nennt der Redner die Situation der Massentextilfertigung in Staaten wie Bangladesch. Auch für diese Menschen gilt der Grundsatz der menschenwürdigen Arbeit, und auf die Arbeitsbedingungen in diesen Ländern sollten die Konsumenten in Deutschland durch ihr Kaufverhalten Einfluss nehmen.

Aus all diesen Gründen brauchen wir starke Verbände, in der KAB und in der CDA gleichermaßen.

Wichtig für das Leben in der KAB sind drei Bereiche: Die Pflege des religiösen Lebens, die politische Arbeit und das gesellige Zusammenleben. Dies ist der Dreiklang, der die Arbeit der KAB prägt. In ihren Bildungshäusern im Sauerland und in Haltern erreicht sie auch junge Menschen mit ihren Familien.

Die Aufgabe der KAB besteht darin, ihre Traditionen an junge Menschen weiterzugeben, die ihre Zukunft auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes gestalten wollen.

Schließlich erinnert der Redner daran, dass die europäische und die deutsche Einheit nicht möglich gewesen wären, wenn es nicht die Gewerkschaft Solidarnosc mit Lech Walesa und die ihn schützende Hand des Papstes Johannes Paul II. gegeben hätte. Ihnen und ihrem christlichen Menschenbild und nicht dem Kapitalismus sind die Menschen in Europa zu Dank verpflichtet, und wenn sie heute in Niederwenigern leben würden, wären sie sicherlich Mitglieder der örtlichen KAB.

Zum Abschluss seines Vortrags gratuliert Herr Laumann den Mitgliedern der KAB zu ihrem 150-jährigen Jubiläum und wünscht ihnen alles Gute für die Zukunft. Er schließt mit dem Gruß: „Gott segne die christliche Arbeit“ und die Anwesenden antworten: „Gott segne sie.“

Bernhard Nadorf


Lesen Sie dazu auch die Predigt von Weihbischof Ludger Schepers:

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