23. Januar 2009:

Gedenken zum Todestag von Nikolaus Groß

Predigt von Weihbischof Schepers zum Nikolaus-Groß-Tag

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Seliger Nikolaus Groß - 23. Januar 2009

Nikolaus Groß, ein Mann für unsere Zeit

Liebe Schwestern und Brüder!

Widerstandsfähig wollen wir alle sein. Wir ernähren uns gesund und sorgen dafür, dass wir, gerade in dieser Winterzeit, genügend Vitamine erhalten, um für Zeiten erhöhter Ansteckung widerstandsfähig zu sein. Es ist sinnvoll, sich gegen Krankheiten auch impfen zu lassen. Das Bewusstsein für richtige Ernährung und gesundes Leben ist in den letzten Jahren enorm gestiegen: Eine gesunde Basis macht widerstandsfähig. Nur wer widerstandsfähig ist, kann Widerstand leisten. Und Widerstand zu leisten ist Aufgabe der Christen:

Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung,

Widerstand gegen Hunger und Armut,

Widerstand gegen die zunehmende Rüstung auf der ganzen Welt,

Widerstand gegen unmenschlichen Bürokratismus und nur durch Computer programmiertes Menschsein,

Widerstand gegen die Aushöhlung des Sonntags,

Widerstand gegen Einsamkeit und Isolation,

Widerstand gegen alles, was die Würde des Menschen verletzt,

um nur einiges zu nennen.

Wie widerstandfähig sind wir als Christen? Wie fähig sind wir zum Widerstand?

Was die Gesundheit anbelangt, haben die meisten von uns einen gesunden Standpunkt. Wir bringen Zeit und Mühe auf, uns die nötigen Informationen zu beschaffen, um widerstandsfähig, d. h. gesund, zu bleiben. Und wer krank ist, der hat auch in der größten Hetze des Alltags Zeit für den Arzt. Und bittere Arznei wird bereitwillig geschluckt. Überlegen wir einmal: Wieviel Zeit, wieviel Mühe wir aufwenden, um gesund zu bleiben? Und was nehmen wir in Kauf, um gesund zu werden, wenn wir einmal krank sind? Wieviel reden wir über unsere Gesundheit... Was unsere Gesundheit anbelangt, haben wir einen festen Standpunkt: Wir wissen, was wir wollen.

Und als Christen: Haben wir einen da festen Standpunkt, wieviel Zeit, Unbequemlichkeit, Gespräch bringen wir auf, um geistlich gesund zu bleiben? Haben wir in unserem Glauben überhaupt ein Gespür für Krankheit? Wie sieht es aus mit unserem christlichen Standpunkt? Wofür stehen wir? Haben wir eine Basis, die uns trägt? Wie widerstandsfähig sind wir als Christen?

Unsere Zeit ist eine Zeit großer geistiger Auseinandersetzungen. Viele Menschen erkennen, das Entwicklungen unserer Zeit krank machen, wenn nicht sogar tödlich sein können. In das Haus der Welt braust, um im Bild der Heiligen Schrift zu bleiben, der Wind, und der Regen stürzt nieder und die Bäche schwellen an. Widerstand ist notwendig. Wo ist in unserer Welt eine Widerstandsbewegung der Christen zu spüren in der bunten Palette der weltweiten Bewegungen? Vielfach gibt es hilfloses Achselzucken oder ein Angstvolles sich anpassen an bestehende Verhältnisse, statt energisch dagegen aufzubegehren. Ich weiß, das ist gar nicht so einfach und vieles ist sehr kompliziert. Da braucht es Beispiele, da braucht es Vorbilder.

An ein Vorbild, an ein Beispiel erinnern wir heute in besonderer Weise. Der selige Nikolaus Groß hat hellsichtiger als manche andere erkannt, dass das nationalsozialistische Regime die vollständige Unterwerfung des Menschen verlangte und damit in einem grundlegenden Widerspruch zum Glauben und zur Kirche stand. Aus dieser Erkenntnis heraus hat er gesagt: "Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und unserem Gewissen einmal bestehen." In einem Blechwalzwerk und als Bergmann hat seine berufliche Laufbahn begonnen. Die Chancen der persönlichen Weiterbildung nutzend hat er bereits mit 22 Jahren Aufgaben, in denen er Verantwortung für andere als Gewerkschaftssekretär übernimmt. Arbeit und gesellschaftliche Verpflichtungen sind für Nikolaus Groß der Ort, wo er seinen Glauben lebt. Sein Leben ist vor allem eine Ermutigung für die, die sich gesellschaftlich an den Rand gedrängt oder wenig beachtet fühlen. Immer wieder erkennen wir, dass der Ruf Jesu allen Menschen gilt und das er in der Geschichte nicht selten von den Einfachen und Ohnmächtigen eher als von Vornehmen und Mächtigen gehört wurde. Darum möchte ich an dieser Stelle auch Elisabeth Groß nennen. Im Mai 1923 heiraten die beiden, 1937 haben sie sieben Kinder. Ohne sie hätte er nicht das tun können, was er tat. Und sie hielt ihrem Mann den Rücken frei für seine vielfältigen Aufgaben und seine ausgedehnte Reisetätigkeit. So wird auch von ihr berichtet, dass sie im Bewusstsein christlicher Verantwortung nur dort einkauft, soweit es möglich ist, wo sie weiß, dass die auf das Einkommen besonders angewiesen sind. Auch sie hat ein ausgeprägtes Empfinden für Recht und Gerechtigkeit. Mit ihrem Mann erkennt sie früh, wohin die NS-Gewaltherrschaft führen muss. Beiden gemeinsam ist ihr Halt im Glauben an Gott. Aus ihm schöpfen sie die Kraft für ihr Tun. Ihr Glaube ist auf diesen Fels gebaut in den Strömungen ihrer Zeit.

Was würden uns die beiden sagen, damit wir heute in rechter Weise den Anforderungen unserer Berufung entsprechen können und die eigene Aufgabe in Familie und Gesellschaft aus christlichem Geist erfüllen.

Um widerstandsfähig zu werden in einer Welt, die des Widerstands bedarf, gibt es nur eine Basis: Jesus Christus selbst.

Wir könnten von ihnen lernen. Es kommt auf den Standpunkt an: "Lasst nicht nach in eurem Eifer, verabscheut das Böse, haltet fest am Guten."

"Die meisten großen Leistungen entstehen aus der täglichen Pflichterfüllung in den kleinen Dingen des Alltags. Dabei gilt unsere besondere Liebe immer den Armen und Kranken."

"Die genaue, pünktliche und treue Pflichterfüllung in den kleinen Dingen des Alltags macht uns zu tüchtigen Menschen im Leben und zu guten Kindern Gottes".

"Allen Mitmenschen sind wir höfliche, freundliche und bereitwillige Helfer, unsere besondere Liebe gilt den Armen und Kranken. Dem Volk und Staat dienen wir Treue und Anhänglichkeit. Und wenn es sein muss mit Leib und Leben."

Jedem von uns sei aufgegeben, in leidenschaftlichem Eifer sich für das Bekenntnis des Glaubens in Wort und Tat einzusetzen, dass Gute festzuhalten und das Böse nicht zu tun.

Bemerkenswert dabei ist trotz aller Not seine Sorge um die Familie, um die er sich seit der Haft nicht mehr persönlich kümmern kann. Aber da ist keine Klage zu hören. "Das Ausbleiben der Post hat mich in große Unruhe versetzt. Die Angriffe bei Euch werden heftig und häufig sein. Wenn Post ausbleibt, kann es nicht an euch liegen. Ihr werdet schreiben. Es kann nur sein, das Angriffe die Beförderung hindern. Hoffentlich treffen Euch die Angriffe nicht. Ihr werdet viel auszuhalten haben. Gott schütze Euch."

Oder in einem anderen Brief: "Manchmal habe ich mir in den langen Monaten der Haft Gedanken darüber gemacht, was wohl einmal aus Euch werden möge, wenn ich nicht bei Euch sein könnte. Längst habe ich eingesehen, dass Euer Schicksal gar nicht von mir abhängt. Wenn Gott es so will, dass ich nicht mehr bei Euch sein soll, dann hat er auch für Euch eine Hilfe bereit, die ohne mich wirkt." (Abschiedsbrief).

Ein weiteres Wort der Lesung könnte uns angesichts mancher Resignation Weisung geben. "Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, ..." Er erinnert an die gemeinsame Zeit mit Elisabeth: "Wieviel umfassen diese 24 Jahre. Vieles Schwere und Leidvolle, doch auch viel Glück und Freude. Das Gute und Schöne hat immer das andere überwogen. Besonders Ihr, Du und die Kinder, habt für mich Glück bedeutet."

"Habt keine Trauer um mich - ich hoffe, dass mich der Herr annimmt. Hat er nicht alles wunderbar gefügt. Er ließ mich in meinem Hause, in dem ich auch in der Gefangenschaft manche Liebe und menschliches Mitgefühl empfing. Er gab mir über 5 Monate Zeit - wahrlich eine Gnadenzeit - mich auf die Heimholung vorzubereiten. .... Alles das hätte ja auch anders sein können. .... Muss ich nicht Gottes weise und gnädige Fügung preisen und ihm Dank sagen für seine Güte und väterliche Obhut? ... Gott hat mir damit gewiss eine große Gnade erwiesen. ... Ich habe für jeden von Euch einen Spruch oder Andachtsbildchen mit einem persönlichen letzten Wort versehen. Möge es jedem eine kleine Erinnerung sein auch zu der Bitte, mich im Gebet nicht zu vergessen." (Abschiedsbrief)

Und damit ist ein letztes Wort wichtig heute für uns, die wir über manchem Planen vergessen, auf wen es und was es eigentlich ankommt: Gott die Ehre zu geben. Beharrlich zu sein im Gebet. Alles zu tun, was möglich und nötig ist, aber so, dass er es vollenden kann. Von ihm her zu denken, so schreibt Nikolaus Groß: "Gott verlässt keinen, der ihm treu ist." "Gott schickt uns nicht mehr, als wir tragen können." Und er weiß um die Nähe des Gebetes auch mit seiner Familie. "Durch das Gebet bleibe ich euch in jeder Stunde nah." "Der Name des Herrn sei gepriesen. Sein Wille soll an uns geschehen. Fürchtet nicht, dass Angesichts des Todes große Sturm und Unruhe in mir sei. Ich habe täglich immer wieder um die Kraft und Gnade gebeten, dass der Herr mich und euch stark mache, alles geduldig und ergeben auf uns zu nehmen, was er für uns bestimmt oder zugelassen. Und ich spüre, wie es durch das Gebet in mir still und friedlich geworden ist." (Brief 143)

Liebe Schwestern und Brüder, ich bin mir bewusst, dass man in einer Predigt nicht alles erfassen und greifen kann, was das Wesen dieses Menschen ausmacht und was für uns daraus erwachsen kann. Mögen die Worte "Laßt nicht nach mit eurem Eifer, verabscheut das Böse, haltet fest am Guten. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet" uns Weisung sein. So wie Nikolaus Groß und seine Frau in der Eucharistie und im Gebet Kraft und Nahrung empfangen haben, so möge die Kommunion auch uns stärken, damit in der Nachfolge Jesu auch unser Glaube wachse und sich bewähre und wir Widerstand da leisten, wo immer die Würde auch nur eines Menschen bedroht ist. Amen!

Weihbischof Schepers, 23. Januar 2009


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