30. September 2007:

Predigt von Weihbischof Heinrich Jansen

zum Gedenken des seligen Nikolaus Groß im Dom zu Xanten

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Der Name Xanten - ad Sanctos, zu Deutsch: zu den Heiligen - hat durch die Märtyrer unserer Tage einen neuen Klang bekommen. Die Krypta mit dem Grab der römischen Märtyrer und der Märtyrer aus der NS-Zeit ist ein Ort mit einer Botschaft für uns. Nikolaus Groß gehört zu den Männern, die hier verehrt werden und uns ansprechen. Er hat kein Grab gefunden. Sein Leichnam wurde verbrannt, die Asche zerstreut. Jede Erinnerung sollte ausgelöscht werden.

Sein Abschiedsbrief vom 21 .Januar 1945, zwei Tage vor seiner Hinrichtung, enthält Gedanken zum Gebet. Wir haben Abschnitte aus diesem Brief gehört. Drei Sätze können aufhorchen lassen.

"Ich habe täglich immer wieder um die Kraft und Gnade gebetet, dass der Herr mich und euch stark mache."

"Und ich spüre, wie es durch das Gebet in mir still und ruhig geworden ist." Und der dritte Satz:

"Die Tage und die Stunden, die mir bleiben, will ich ganz dem Gebet hingeben." Er spricht von seiner Gebetspraxis, sagt, was das Gebet bewirkt und wie das Gebet die letzten Stunden füllt.

Dieser Brief ist eine Botschaft. Sie lautet:

  1. Das Gebet trägt unser ganzes Leben.
  2. Das Gebet umgreift unser ganzes Leben. Und
  3. Das Gebet lässt aufatmen und spricht von der Nachfolge im Angesicht des Todes.

Es gibt viele Wege, Christus kennenzulernen, ihn anzuschauen. Einer ist: auf seine Hände schauen. Seine Hände sagen uns, wer er ist und wie er zum Menschen steht. Die Hände Jesu sind heilende, helfende und segnende Hände. Es gibt viele Szenen im Neuen Testament, die den Herrn zeigen, wie er Menschen aufrichtet, wie er sie mit seinen Händen heilt und immer wieder, wie er Menschen berührt.

Und dann geschieht es: Er wird verhaftet, seine Hände werden gefesselt. Er kann nichts mehr machen. Diese Erfahrung machen viele Menschen. Henri Nouwen, ein Theologe aus den Niederlanden, schreibt in seinem geistlichen Tagesbuch ‚Nachts bricht der Tag an':

"Für mich ist es eine wichtige Erkenntnis, dass Jesus seine Sendung nicht durch sein Tun erfüllt, sondern durch das, was man ihm antut" (S.192).

So ist auch das Leben von Nikolaus Groß gelaufen. Der Mann der Aktion, der mit seinen Händen anderen half, kann nichts mehr machen, aber noch viel bewirken.

Sein Abschiedsbrief zeigt, das Gebet durchzieht seine Gefängniszeit. Was ist das, wenn ein Mensch betet? Er wird offen für Gott, für das Wirken Gottes. Und in der Erwartung des Todes kann er schreiben: "Und ich spüre, wie es durch das Gebet in mir still und ruhig geworden ist." Der Mensch kann im Gebet erspüren, dass auch in solch außergewöhnlicher Situation Gott noch neue Möglichkeiten für den Menschen hat. Nikolaus Groß ist durch die Zeit mit den gebundenen Händen vielen Menschen neu geschenkt worden.

Heilige setzen Maßstäbe. Heilige verkünden durch ihr Leben.

Nikolaus Groß verkündet durch sein Leben als Familienvater und durch seinen Beruf. Am wirksamsten aber ist seine Verkündigung, als ihm die Hände gebunden waren. Er hat als Gewerkschaftssekretär viel gesprochen und als Redakteur viel geschrieben. Davon wissen nur noch wenige. Aber die Weise, wie er vom Gebet spricht, das bleibt Botschaft. Das Wort aus der Lesung vom Apostel Paulus gilt für ihn und kennzeichnet ihn:

"Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrohung, beharrlich im Gebet."

Das Beten hat Nikolaus Groß nicht erst im Gefängnis gelernt. Das Gebet war der Atem seines Lebens. Wer betet, findet Gottvertrauen. Der Weg zum Glauben und zu Gott geht über das Gebet.

"Der Mensch ist nur von Gott her zu verstehen. Nur wenn er eine Beziehung zu Gott hat, ist sein Leben recht." Das ist ein Wort von Papst Benedikt XVI. (Jesusbuch, S. 112). Was wäre eine tiefe Beziehung ohne das miteinander Sprechen. Wo das fehlt oder ausfällt, ist etwas kaputt. Dann ist aber auch leicht einzusehen, dass eine wichtige und einfache Form des Betens ist: Mein Leben vor Gott ausbreiten. Das hat Nikolaus Groß in seinem Beten sicherlich getan. Romano Guardini sagt einmal: "Wer gut betet, der erfasst erst das ganze Leben in seiner Weite und Tiefe, findet das Gleichgewicht zwischen dem Endlichen und Unendlichen." Wenn wir heute morgen auf Nikolaus Groß schauen und auf sein Beten, dann müssen wir auch auf uns schauen und auf unser Beten. Beten ist ein Weg, den man immer wieder gehen kann. Und Gebetsworte sind guter Proviant auf diesem Weg. Bewährtes soll man wiederholen. Wer nicht betet, vergisst auch Gott. Vor 900 Jahren hat ein großer englischer Bischof, Anselm von Canterbury, gesagt:

"Auf, du kleiner Mensch, flieh ein wenig deine Geschäftigkeit und versteck dich eine kleine Weile vor deinen lauten Gedanken! Wirf deine Sorgen ab, die auf dir lasten, und lass deine Zerstreuungen! Gönne dir Zeit für Gott und komm bei ihm zur Ruhe!"

Das genau sagt uns der selige Nikolaus Groß:

"Gönne dir Zeit für Gott!"


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