7. April 2006:

Beitrag von Frau Gisela Lange

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im Rahmen des Vespergottesdienstes zur Einweihung des Nikolaus-Groß-Memorials

Für das Memorial wurden Sandsteinplatten aus einem alten Bodenbelag unserer Kirche und einige Ziegelsteine als Fundament gelegt. Der Sockel, der das Bildwerk trägt, ist aus Backsteinen mit insgesamt kräftigen Fugen aufgemauert. Die roten Ziegel stammen aus dem Mauerwerk des letzten Haftorts von Nikolaus Groß, dem Gefängnis Berlin-Tegel.

Auf der Vorderseite bilden die Ziegel einen leicht vorspringenden großen Längsbalken. Bei genauem Hinsehen entdecke ich den Querbalken in der Mauerfläche, aus einem Stein an jeder Seite: das Kreuz, etwa in der Mitte des Pfeilers. Die gleiche Fügung der Steine, das gleiche Muster findet sich mehrmals, in verschiedener Höhe.

Das Kreuz wirkt wie das eigentlich tragende Element der darauf ruhenden Bronzearbeit. Denn eine umlaufende tiefe Kerbe, eine Art von Riss, zieht sich über den Sockel. Er läuft, von der Rückseite kommend, in Zickzacklinien über die rechte Hälfte der Vorderseite, wechselt in halber Höhe auf deren linke Seite, dann auf die linke Seitenwand, von dort wieder nach vom und endet unten am Boden. Das Kreuz lässt er unversehrt. Rechts unten am Sockel liegen, aus Metall gearbeitet, das zerbrochene Hakenkreuz, der Hammer und die Sichel mit geborstener Klinge.

Das Bildnis zeigt Nikolaus Groß in seiner Gefängniszelle, ungefähr in Lebensgröße. Er sitzt am Tisch, seine rechte Seite ist etwas zurückgenommen. In der Hand hält er den Federhalter, mit dem er gerade geschrieben hat, die linke Hand umgreift die Tischplatte. Neben ihm liegt sein Rosenkranz, vor ihm das Blatt Papier, auf dem schon einige Zeilen stehen, und ein kleineres beschriebenes Blatt. Er trägt die Kleidung eines Gefangenen. Sein Gesicht ist ernst, gesammelt, von nachdenklichem Ausdruck, mit den Spuren von Haft und Entbehrung. Den Kopf neigt er ein wenig zur Seite, wie einer, der hört. Vom Scheitel an geht eine feine Linie wie ein Schnitt über die linke Seite seiner Stirn, die Wange, den Hals und schräg über die Jacke nach unten. Die Materialität des Bronzegusses, die Ausrührung von Kopf, Gesicht und Händen, der Haltung und Kleidung, jedes einzelnen Details sowie das Spiel von Licht und Schatten auf der patinierten und polierten Oberfläche des Metalls geben dem Bildnis von Nikolaus Groß seine Lebendigkeit. In der Wand über seinem Haupt ist der Eisenträger mit den Haken zu sehen, an denen sein irdisches Leben endete. Durch das kleine Fenster dahinter fällt das Tageslicht.

Ich lese den Text auf dem Briefblatt: "Berlin-Tegel, den 21.1.45" - das Datum des Abschiedsbriefs an seine Familie. Und die Zeilen: "Wieviel hatte ich noch für Euch tun wollen - der Herr hat es anders gefügt. Der Name des Herrn sei gepriesen. Sein Wille soll an uns geschehen." Auf dem kleinen Blatt, das mit seiner Schrift dem Betrachter zugewendet liegt, ist zu lesen: "....wer die Kraft und Macht des Gebetes kennt, ist nie allein. Ja, Gott gibt mir durch das Gebet viel Frieden und stille Herzensfreude... Er ist... unser Schutz und Schirm."

Gemeindemitglied Gisela Lange


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