Veröffentlichung innerhalb einer Serie im RUHRWORT
Die Serie zum Thema "Nikolaus Groß - Journalist" wurde in der Zeit vom Juli 2001 bis zum Oktober 2001 im RUHRWORT veröffentlicht. Sie wurde mit freundlicher Genehmigung von Herrn Martin Schirmers in das Archiv aufgenommen.

"Vertrag zwischen Kirche und Staat"

Ruhige Zuversicht nach Tagen der Unsicherheit

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Ende Januar 1933 ist Hitler Reichskanzler: Fast schlagartig legen die Nazis die Fundamente für ihre künftige Diktatur. Die Etablierung ihrer Macht geht einher mit der Entrechtlichung und Entdemokratisierung der Gesellschaft (Machtergreifung). Arierparagraf, Boykott jüdischer Geschäfte, Parteien- und Gewerkschaftsverbote sind nur einige Stichworte. Als ein WAZ-Artikel nach dem Reichstagsbrand im Februar die Drahtzieher in Nazi-Kreisen vermutet, wird die WAZ erstmals in ihrer 35-jährigen Geschichte - aber nicht zum letzten Mal - für drei Wochen eingestellt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund kommt es am 20. Juli 1933 zur Unterzeichnung des Reichskonkordats zwischen dem Vatikan und der nationalsozialistischen Regierung. Fünf Tage vorher veröffentlichte Nikolaus Groß (ng) einen Leitartikel (Auszug), in dem er die völkerrechtlich bindende Bedeutung des Vertrags betonte. Offensichtlich hegte Groß die Erwartung, dass dieser Vertrag den Nazis im Umgang mit der Kirche künftig Zügel anlegen und sie von Knebelungen abhalten würde. Dass es anders kam, konnte Groß nicht wissen. Ob er es insgeheim nicht doch befürchtete...

Martin Schirmers

Das jetzt im Inhalt abgeschlossene Reichskonkordat soll über die schon früher getroffenen Einzelkonkordate der deutschen Länder hinausgehen und ein Konkordat für das ganze Reich werden. Es will also auch diejenigen deutschen Länder einbeziehen, deren Verhältnis zur katholischen Kirche bisher noch nicht geregelt war. Soweit sich erkennen lässt, überträgt das neue Reichskonkordat aber nicht nur bestimmte, für einzelne Länder geltende Dinge auf das ganze Reich, sondern es bringt auch einen zum Teil ganz neuen materiellen Inhalt. Das ergibt sich aus einer Erklärung des Reichskanzlers, die wir untenstehend wiedergeben.

Gegenüber Länderkonkordaten hat ein Reichskonkordat den Vorzug, dass es in bezug auf die katholische Kirche ein einheitliches Recht schafft, und die Länderverträge mit dem Heiligen Stuhl vom Reich her nochmals besonders sichert. Das neue Konkordat ist das erste Reichskonkordat, das mit dem Deutschen Reich abgeschlossen wurde. Die Reichsregierung hat ihrer Befriedigung über diese Tatsache lebhaften Ausdruck gegeben. Reichskanzler Adolf Hitler hat im Anschluss an die Paraphierung eine Verfügung erlassen, in der gesagt ist:

  1. Die Auflösung solcher katholischen Organisationen die durch den vorliegenden Vertrag anerkannt sind und deren Auflösung ohne Anweisung der Reichsregierung erfolgte, sind sofort rückgängig zu machen.
  2. Alle Zwangsmaßnahmen gegen Geistliche und andere Führer dieser katholischen Organisationen sind aufzuheben. Eine Wiederholung solcher Maßnahmen ist für die Zukunft unzulässig und wird nach Maßgabe der bestehenden Gesetze bestraft.

"Ich bin glücklich in der Überzeugung, dass nunmehr eine Epoche ihren Abschluss gefunden hat, in der leider nur zu oft religiöse und politische Interessen in eine scheinbar unlösliche Gegensätzlichkeit geraten waren. - Der zwischen dem Reich und der katholischen Kirche abgeschlossene Vertrag wird auch auf diesem Gebiet der Herstellung des Friedens dienen, dessen alle bedürfen. Ich habe die starke Hoffnung, dass die Regelung der das evangelische Glaubensbekenntnis bewegenden Fragen in kurzer Zeit diesen Akt der Befriedung glücklich vollenden wird."

Die Erklärung des Herrn Reichkanzlers weist u.a. auch auf die hohe Bedeutung hin, die das Reichskonkordat für die katholischen Organisationen in sich schließt. Nach Tagen der Unsicherheit wird man nunmehr mit ruhiger Zuversicht in die Zukunft blicken können. Auflösungen und andere Zwangsmaßnahmen werden rückgängig gemacht, eine Wiederholung für die Zukunft unter Strafe gestellt. Diese Tatsachen werden auch unsere katholischen Arbeitervereine in Stadt und Land mit neuem Vertrauen erfüllen und ihnen Mut geben, in aller Treue und Hingabe der Verwirklichung unserer Ideale die besten Kräfte zu weihen. Durch das Reichskonkordat wird eine Grundlage des Friedens zwischen Staat und Kirche in Deutschland geschaffen. Das ist dankbar zu begrüßen. Es bleibt zu wünschen - auch Reichskanzler Adolf Hitler gibt dem Ausdruck - dass auch für die evangelische Kirche bald eine ähnliche Lösung gefunden werde.

Nikolaus Groß
Ruhrwort, 08.09.2001

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