30. September 1998:

Festakt zum 100. Geburtstag von Nikolaus Groß

Rede des Schulleiters Bernhard Nadorf

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Hochverehrter Herr Bischof, Liebe Familie Groß, Liebe Festgemeinde,

Die Kirche im Bistum Essen feiert heute und in dieser Woche den 100. Geburtstag von Nikolaus Groß. Zur Eröffnung dieser Geburtstagsfeier begrüße ich Sie ganz herzlich hier in der Aula des Bischöflichen Nikolaus Groß Abendgymnasiums. Wie an einer langen Perlenkette reihen sich die Geburtstage und Jubiläen in diesem Monat und in diesem Jahre:

900 Jahre Hildegard von Bingen
100 Jahre Katholisches Lyzeum und heute St. Hildegardis Gymnasium in Duisburg
750 Jahre Kölner Dom
80 Jahre Dompropst und jetzt Pastor Ferdinand Schulte Berge
40 Jahre Bistum Essen
und schließlich heute an diesem Tage
100 Jahre Nikolaus Groß

Für die katholischen Christen im Bistum Essen und für Sie, liebe Familie Groß haben die Jahreszahlen 1958 und 1898 eine besondere Bedeutung. Nikolaus Groß wurde 60 Jahre vor der Gründung des Ruhrbistums geboren und er war Mitglied der Erzdiözese Paderborn, die zu den drei Mutterbistümern unseres Bistums zählt.

Als führender Vertreter des politischen und sozialen Katholizismus, als Widerstandskämpfer und Glaubenszeuge gehört er zu denjenigen Persönlichkeiten, die das geistige Fundament der katholischen Kirche im Ruhrgebiet gelegt haben.

Die Lichtstafette, die heute Nachmittag in seinem Geburtsort Niederwenigern beginnt und quer durch die Pfarrgemeinden unseres Bistums bis nach Xanten führt, bringt diese Verbindung in symbolischer Weise zum Ausdruck.

Zu jeder Geburtstagsfeier, liebe Festgäste, gehört auch ein Geburtstagsgeschenk. Das Geschenk, das ich heute überreichen darf, ist die Einlösung eines Versprechens, das ich am Abend des 25. Januar 1995 dem Tag der Namengebung dieser Schule gegeben habe.

Unser Geschenk hat, wie könnte es anders sein, mit Schule und Unterricht zu tun. Es ist eine Arbeitshilfe für den Geschichts- und Religionsunterricht und steht unter dem Leitwort: "Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie sollen wir dann vor Gott und unserem Volk einmal bestehen".

Das Buch dokumentiert die Geschichte des politischen und sozialen Katholizismus im Ruhrgebiet in der Zeit von 1927 bis 1949. Es thematisiert an Hand von ausgewählten Quellen die politischen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen am Ende der Weimarer Republik, die Phase der Machtergreifung und die Konflikte zwischen katholischen Christen, Priestern und Laien mit dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus. Der zeitliche Rahmen endet nicht mit der Hinrichtung von Nikolaus Groß am 23. Januar 1945, sondern mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949. Der Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" hat eine historische und eine zukunftsbezogene Dimension. Er ist der geistigen Tradition des Widerstandes verpflichtet und stellt eine Antwort auf die Unrechtserfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus, auf die "Antastbarkeit" der menschlichen Würde dar. Gleichzeitig rufen die Väter und Mütter des Grundgesetzes die Bürger des neuen Staates auf, aus der Geschichte zu lernen und allen Versuchen, die Würde des Menschen anzutasten, aktiv und engagiert, mit der Zivilcourage, die Nikolaus Groß auszeichnete, entgegenzutreten.

Um diese Verpflichtung zum Lernen aus der Geschichte zu konkretisieren und für den Schüler erfahrbar zu machen, enthält die Quellensammlung Anregungen und Impulse für einen handlungsorientierenden Geschichts- und Religionsunterricht, die sich auf folgende Themenbereiche konzentrieren: Beispiele der Erinnerung im Ruhrgebiet, Christliche Weltverantwortung und Martyrium, Der Schutz des menschlichen Lebens, Die Wahrung der Menschenrechte, Die Auseinandersetzung mit dem Neonazismus und schließlich die Versöhnung zwischen Christen und Juden und zwischen den Völkern Europas als zukunftsbezogene Aufgaben. Im Anhang der Arbeitshilfe befindet sich eine ausführliche Dokumentation der Mahn- und Gedenkstätten im Bistum Essen sowie eine Chronologie, die sowohl national- wie auch regionalgeschichtliche Daten berücksichtigt.

Dieses Buch, liebe Festgäste, hat zwei geistige Väter und eine geistige Mutter und viele Geburtshelfer. Es ist das Ergebnis einer intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Bischöflichen Nikolaus Groß Abendgymnasium, Frau Dr. Vera Bücker vom Dezernat 5 für gesellschaftliche und weltkirchliche Aufgaben und Herrn Markus Potthoff vom Dezernat 3 für Erziehung, Schule,Hochschule im Bischöflichen Generalvikariat.

Mit der Vorlage dieser Arbeitshilfe eröffnen wir einen Dialog mit Schule, Weiterbildung und Hochschule. Wir wollen die Anregungen und Rückmeldungen, die wir von Lehrern, Schülern und Wissenschaftlern erhalten, prüfen und in die Veröffentlichung des Buches, die möglichst bald, spätestens jedoch zu Beginn des Schuljahres 1999/2000 erfolgen soll, einbeziehen. Für Sie alle liegt ein Faltblatt mit einer Kurzinformation auf dem Tisch am Eingang der Aula bereit.Wir überreichen dieses Geschenk heute, am 100. Geburtstag von Nikolaus Groß, Ihnen, lieber Herr Bischof, als Beitrag zur Traditionspflege des Ruhrbistums und des Ruhrgebietes. Wir unterstützen damit auch das Anliegen des Bistums Essen, den Canonisierungsprozeß für Nikolaus Groß zu einem erfolgreichen Abschluß zu führen. Wir überreichen es Ihnen, liebe Familie Groß, als Erinnerung an Ihren Vater.

Wir überreichen es Ihnen, lieber Herr Prälat Kaußen als ein Lese- und Geschichtsbuch über die katholische Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet.

Und wir überreichen es - last but not least - stellvertretend für alle Schüler, den Studierenden des Bischöflichen Nikolaus Groß Abendgymnasiums in der Hoffnung, daß die Impulse, die von dem Leitwort der Arbeitshilfe ausgehen, fruchtbar werden in Schule und Unterricht.


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