23rd January 2022:

Die Bedeutung des Nikolaus Groß Weiterbildungskollegs

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Predigt von Weihbischof Wilhelm Zimmermann im Pontifikalamt am Gedenktag des Sel. Nikolaus Groß

Weihbischof Zimmermann

"Denk ich an Deutschland...?", so lautet ein Frageimpuls in einer Magazinsendung des Deutschlandfunks, die jeden Sonntag im Radio gesendet wird. Personen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen geben dort Eindrücke wieder, die ihnen zu dieser Fragestellung in den Sinn kommen.

Vor einiger Zeit antwortete jemand auf diesen Frageimpuls: "Wenn ich an Deutschland denke, dann denke ich auch an eine kostenlose Bildung."

Vielleicht ist uns das gar nicht mehr bewusst, dass unser Bildungssystem - trotz mancher Kritik - auch große Chancen für viele Menschen bereit hält.

Ich denke dabei vor allem an Möglichkeiten, die der sogenannte "Zweite Bildungsweg" bereit hält, den wir auch an unserem Bischöflichen Abendgymnasium hier in Essen ablesen können.

Vielleicht von vielen wenig beachtet ging zu Beginn des neuen Jahres eine Meldung durch die örtliche Presse, dass das Bischöfliche Abendgymnasium in der Franziskanerstraße, um den Ausbildungsgang des Essener Ruhrkollegs und demnächst auch des Niederrhein Kollegs, Oberhausen, erweitert wird. Dies geschieht unter anderem im Rahmen einer neuen Partnerschaft mit der Stadt Essen.

Das Abendgymnasium, an dem auch ich mein Abitur machen konnte, wird zu einem Weiterbildungskolleg.

Abendgymnasium und Weiterbildungskolleg: Ein neuer Name, mehr Studierende und eine Perspektive für viele, um über den "Zweiten Bildungsweg" ihr Berufsleben anders oder neu zu planen. Mit über 400 Studierenden wird diese Schule das größte Weiterbildungskolleg in Trägerschaft der Kirche in Deutschland sein.

Warum spreche ich heute Morgen davon:

Weil diese Schule einen Namen hat: Nikolaus Groß!

Wenn wir von Nikolaus Groß sprechen dann fallen uns wie von selbst die Begriffe Märtyrer, Familienvater und KAB Sekretär ein ... - manchmal noch seine journalistische Tätigkeit bei der damaligen "Westdeutschen Arbeiter-Zeitung".

Ihn mit Schulen oder Bildung überhaupt in Verbindung zu bringen? - Dieser Gedanke liegt meistens nicht sehr nahe. Aber vielleicht ist er gar nicht so abwegig, denn allein in unserem Bistum und in den angrenzenden Bistümern Münster, Paderborn und Köln gibt es eine Reihe von Schulen, die seinen Namen tragen, ja sogar im Bistum Trier und im Erzbistum Freiburg gibt es Nikolaus-Groß-Schulen.

Meist sind es Grund- oder Förderschulen. Bei uns in Essen aber einmalig eine Schule mit den Möglichkeiten eines Kollegs und eines Gymnasiums.

Warum geben und gaben sich Schulen diesen Namen? Ja, sicher - wir kennen das auch von andern Seligen und Heiligen der Kirche. Wir sind es gewohnt das Gebäude und Straßen an ihr Leben und Wirken erinnern.

Diese Namen sind Zeichen der Erinnerung an unsere Vergangenheit. Sie halten unsere Erinnerung lebendig, sie geben aber auch Aufschluss über die Wertmaßstäbe, denen sich diese Namensgeber verpflichtet fühlten, und die sie an nachfolgende Generationen weitergeben wollten.

Nikolaus Groß war zeit seines Lebens bemüht neue Kenntnisse zu erwerben, sich beruflich zu qualifizieren und eine umfassende Allgemeinbildung zu erhalten. Weiterbildung war für ihn weder Selbstzweck noch Ausdruck von persönlicher Eitelkeit. Sie hat ihn vielmehr befähigt, sich für die Menschen einzusetzen und sie mit großem Weitblick und frühzeitig vor der Gefahr einer nationalsozialistischen Machtübernahme zu warnen. Sein Bestreben war es neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben und seine Allgemeinbildung zu vertiefen.

Mit Nikolaus Groß haben wir ein "Erbe" erhalten, das mehr ist als Erinnerung, sondern zugleich auch "Auftrag". Eine Erinnerung, die nach vorne gerichtet ist, um persönliches und gesellschaftlich-politisches Leben zu gestalten.

Nikolaus Groß: Widerstandskämpfer und Glaubenszeuge steht für Standfestigkeit, die im Glauben begründet ist. Wir können es an den äußeren Daten und Ereignissen seiner Biographie ablesen. Aber auch an seiner inneren Glaubensüberzeugung. Von einem Glauben, der die Kraft hat das Gewissen zu prägen und Kraft vermittelt, sich für die Würde des Menschen einzusetzen.

In der Persönlichkeit von Nikolaus Groß bündeln sich wie in einem Brennglas unsere christlichen Grundwerte, die nicht zuletzt Eingang in unser Grundgesetz gefunden haben, wo es in § 1 heißt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".

Aktuell stehen wir vor der Verrohung in Teilen unserer Gesellschaft, müssen uns vor "Fake News" in sogenannten sozialen Medien schützen und uns der Vereinfachung durch einen gesellschaftlichen und politischen Popularismus erwehren.

Ich habe zu Beginn, vielleicht etwas außergewöhnlich, die Person von Nikolaus Groß in eine Verbindung zur Bildung gestellt. Nicht zuletzt, weil Bildung notwendig ist, um Zusammenhänge zu sehen und die eben genannten gesellschaftlichen Gefahren und Vereinfachungen zu durchschauen.

Es geht auch in diesem Zusammenhang in Anlehnung an das heutige Evangelium darum, sein Haus, sein Leben, auf felsigen Grund zu bauen und nicht auf Sand.

Schulen, die Nikolaus Groß zu ihrem Namenspatron machen oder gemacht haben, haben Chance und Aufgabe ein Leben und ein Vorbild auf sich beziehen zu können. Sie können die Werte aus dem Lebenszeugnis des Nikolaus Groß nicht museal, sondern wirklichkeitsnah entdecken und weitergeben.

Zurzeit erfahren wir immer wieder von kirchlichen Strukturen und Handlungen in Vergangenheit und Gegenwart, die manchen von uns ratlos machen und den Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ad absurdum führen.

Der Gedenktag des Seligen Nikolaus Groß sagt uns aber auch immer wieder: Kirche hat vor allem Inhalte, die zu anderen Handlungen anleiten und ermutigen. - Nikolaus Groß, Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer und andere stehen dabei für eine andere Wirklichkeit der großen christlichen Kirchen in unserem Land und für die Erfahrungen, die man eben auch mit ihnen machen kann.

Amen

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