Joseph Joos über Nikolaus Groß

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Josef Joos

Nikolaus Groß, darüber möchte ich etwas sagen - als Mensch, als Zeuge, als Mahner. Nikolaus Groß als Mensch. Ich wette, daß soundsoviele aus diesem Ort selbst, in dem er beheimatet war, ihn kaum gekannt, kaum beachtet haben. So still, so einfach, so selbverständlich gab er sich. Ich habe 13 Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Ich habe ihn gut im Gedächtnis. Ich weiß, daß er ein bescheidener, demütiger, pflichtbewußter, gewissenhafter Mensch, Vater und Schriftleiter war (...).

(...) 1927 kamen gleich zwei zu uns in die Zentrale. Das waren Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus. Beide kamen von den christlichen Gewerkschaften her; beide waren Sekretäre, nicht Funktionäre, sondern wahrhaftige, führende Persönlichkeiten. Der eine war Nikolaus Groß, der Repräsentant, der Schützer und der Förderer der Jugend im Gewerkverein christlicher Bergarbeiter. Bernhard Letterhaus kam vom christlichen Textilarbeiterverband. Was hatte sie zu uns geführt zum Kettelerhaus? Warum haben sie die christlichen Gewerkschaften, die damals stark waren, verlassen? Sie kamen beide, weil sie in eine geistige Bewegung kommen wollten. Sie wollten - das war ihre Vorstellung - sie wollten mithelfen, den Werkmann, das Werkvolk geistig zu bereichern; ihm zu helfen, heraufzusteigen aus der Nacht des Nichtwissens, des Nichtverstehens (...)

Die Gesellschaft von damals unterschied sich noch sehr von der heutigen. "Ich will helfen, einen Typus zu schaffen von Arbeiter, fähig, eine neue Gesellschaft zu tragen". Mit dieser Intention kamen sie zu uns, nicht, um mehr zu verdienen, sondern um mehr zu tun in der e i n e n Richtung (...).

Wir sahen die Schwächen unserer eigenen Bewegung. Liebe Freunde, ich habe Eure Klagen heute gehört über diesen und jenen, der sie nicht versteht, auch im Klerus. Meint Ihr, Ihr hättet mir etwas Neues gesagt? Wir haben damals schon gesehen - 1930/31/32, wie der Geist aus dem sozial-gesinnten Klerus langsam wich. Und wir sahen mit Schmerzen, wie eine Richtung aufkam im kath.-sozialen Deutschland, die eine andere Auffassung hatte von den Dingen. Wir sahen einen Klerus, der sich mehr und mehr auf das Heiligtum zurückzog. Nicht auf die Sakristei. Das kam erst später. Glaubt mir: Das war unser großer Schmerz, die wir ein Leben, unser Leben hineingelegt hatten in diese große Sache der geistigen Auferstehung im besten Sinne des Wortes: Arbeit für das werktätige Volk. Wir sahen die Demagogen aufsteigen (...)

Nikolaus Groß, Letterhaus, Dr. Müller und ich - wir saßen oft zusammen und haben uns Gedanken gemacht: Wie wird das weiter gehen? Was sollen wir tun? Wir waren einig in einem: Nikolaus Groß ist nicht zum Tode gegangen von ungefähr. Die Entwicklung hatte früher begonnen als wir erwarteten.

Wir haben uns geschworen: Wir geben nicht nach! Wir machen keine Konzessionen! Wir legen uns nicht hin wie das Gras, über das der Sturm hinweggeht! Es gab ja eine Theorie im Lande, die sagte: "Legt Euch hin! Muckt Euch nicht! Der Sturm geht über Euch hinweg und eines Tages (...)!" "Nein", haben wir gesagt, "wir sind dagegen, denn hier beginnt die Verderbnis!" Wir haben nur den Kampf gekannt. Und keine Anpassung! Nikolaus Groß wie wir anderen auch. Wir haben nach 1933 einen Kampf geführt um die Existenz. Nicht um die persönliche, aber um die Existenz der Idee: der Idee einer Kirche, die das Recht hat, im Leben zu stehen und für den Menschen dazusein und nicht für eine Kirche, die sich versteckt hinter der Gefahr (...)

Dann kam der Krieg, von dem wir wußten, daß er kommen würde, denn alles deutete darauf hin. Und von diesem Kriege sagten wir uns: Er ist die einzige Möglichkeit, dieses System loszuwerden (...)

Als Nikolaus Groß, Bernhard Letterhaus und Dr. Müller ihr Leben hingeben mußten, war das eine absolute Konsequenz, eine gerade Linie - Es mußte so kommen! Und ich laß mir von niemandem einreden: Wenn sie doch klüger gewesen wären! Ach, diese klugen Leute, die auch heute wieder aufstehen und uns plausibel machen wollen: Habt acht! Seid Klug! (...)

Aber ich spreche nur von dem Brief, von seinem wunderbaren Text. Dieser Brief ist ein Testament. Dieser Brief ist nicht nur Zeugnis, dieser Brief ist wahrhaftig auch Mahnung! Wofür war er eigentlich Zeuge? Sollen wir nun noch einmal die Frage aufwerfen: Wofür ist ein Zeugnis gegeben worden? Für den Menschen und für Gott, für eine Welt des christlichen Geistes hat er Zeugnis abgelegt, zu der er stand bis zum Tod. Für wahre Freiheit und Menschlichkeit ist er gestorben, für Recht, Gerechtigkeit und Liebe unter den Menschen. Er ist ein Beispiel, wie wir es brauchen. - Wir müssen es lebendig halten in Zeiten der Massengesellschaft, oder - wie man sagt, der Massendemokratie (...)

Nikolaus Groß sagte es mir hie und da - aber auch der Letterhaus: "Sage mal, jetzt haben wir wieder das Lied gesungen "Wunderschön prächtige" und haben die Worte gesungen "Blut, Gut und Leben will ich Dir geben, alles, was immer ich hab, was ich bin" - sind das leere Worte oder denken wir uns etwas dabei?" (...)

Wir müssen uns der Problematik unserer Welt so stellen, wie sich Nikolaus Groß der seinigen gestellt hat. Dann werden wir auch wie er vor dem Herrgott und vor unserem Volke bestehen können. Dazu möge uns Nikolaus Groß als Mensch, Zeuge und Mahner ergreifendes Vorbild sein.

Quelle: Joseph Joos, 20.11. 1957 in Niederwenigern, zitiert nach: K.-H. Rollhoff, Der St. Josef Knappenverein Ückendorf, Gelsenkirchen, 1992

Joseph Joos richtet an seine Zuhörer den Appell: "Wir müssen uns der Problematik unserer Welt so stellen, wie sich Nikolaus Groß der seinigen gestellt hat." Welche Verpflichtungen ergeben sich für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland aus dem Widerstand und dem Glaubenszeugnis von Nikolaus Groß, Bernhard Letterhaus und Otto Müller?

Aus: "Nikolaus Groß, Arbeiterführer - Widerstandskämpfer - Glaubenszeuge, Wie sollen wir vor Gott und unserem Volk bestehen?" Details zu diesem Buch mehr..., Seiten 332 - 334


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