Brief vom 03.12.1944 an die Familie

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Nikolaus Groß

Berlin-Tegel, den 3.12.44
Seidelstraße 39
Haus 1

Nr. 1499
8/326

Herzliebste Frau und Mutter!
Ihr lieben, guten Sieben!

Ja, alle will ich in diesen Brief einbeziehen, alle Sieben, auch den Klaus. Es soll mein Weihnachtsgruß sein, denn wenn Euch dieser Brief erreicht, wird das Fest unmittelbar vor der Türe stehen. Es wird zum ersten Male ein Fest ohne den Vater sein. Gerne möchte ich an diesem Tage mit Euch zusammen sein, Euch in die Augen sehen, Euch lie¬bend und dankend die Hände drücken, Euch alle an mich nehmen. Doch ich will es nicht beklagen und bejammern, wenn es anders ist. So schmerzlich auch die Trennung ist, wenn wir sie als Opfer nehmen und darbieten, dann ge¬reicht sie uns zum Segen. Es würde mich nur schmerzen, wenn die Kinder zum ersten Male ohne ein klein bißchen festliche Freude, ohne Weihnachtsbaum oder Krippe blie¬ben. Wenn es nicht alles so sein kann, wie in früheren Jah¬ren, so möge doch wenigstens etwas von dem Lichte und Glanze geblieben sein. Glaubet mir, daß ich mit innigster Teilnahme bei Eurer Feier dabei sein werde. Weihnachten, das Fest der Liebe und des Kindes wird mich mit nur noch größerer Ergriffenheit an Euch, an Dich, gute, liebe Mut¬ter, an alle die Kinder denken lassen. Heißer werden meine Gebete nie zum Himmel aufgestiegen sein. Ich bin aber auch gewiß, daß uns die Gnade nie näher sein wird als an diesem Tage, wenn wir das Geburtsfest Christi in der rechten Weise begehen. »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind« - so heißt es im Engellied. Ja, was auch geschehen mag, was wir erleiden oder worüber wir uns freuen - es sei alles zur Ehre Gottes. Und unser guter Wille, der uns den Frieden bringt, den Frieden des Herzens, den Frieden Gottes, soll darin bestehen, daß wir Gottes Willen tun. Denn Gottes Wille ist allemal der gute Wille, der beste Wille. So laßt uns also Weihnachten feiern, getrennt und doch vereint, weit auseinander und doch näher denn je. Ich werde in Gedan¬ken an Euch zu keinem Augenblick mich einsam und ver¬lassen fühlen, vielmehr manches bedenken können, was früher übersehen war. Gott möge Euch an dem Tage alle segnen, seine Gnade in reicher Fülle mit Euch sein.

Ich grüße Euch alle: Dich, liebste Mutter und Frau. Du weißt, daß ich für Dich beten werde, so viel ich nur ver¬mag. Ich grüße die Kinder: den Klaus irgendwo in Ru߬land, die Berny, Marianne, Elisabeth, Alex (vielleicht auch fern von daheim), Bernhard und Leni. Jedem gilt mein be¬sonderer Gedanke und Festtagsgruß. Herzliche Grüße zum Feste an Opa Groß und Koch, Familie Krones, Gret¬chen und Paul, Lenchen mit ihren Kindern, Willi, Hans und Frau, Alois und Familie, an meine Schwestern Elisa¬beth und Maria und an alle Freunde und Bekannte: Brüse und Scherff, Exeler und alle anderen.
Viele und liebe Grüße noch einmal Dir, herzliebe Lisbeth, allen Kindern und guten Menschen.

Vater.

Gruß an Stärck und Mockenhaupt, Michael und Familie. Und allerherzlichsten Dank für Mutters und Bernys Besuch. Die Freude ist in Worten nicht zu fassen. Ich werde Euch diese Guttat nicht vergessen und noch lange von diesen Augenblicken zehren. Vielen und innigen Dank.


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