Brief vom 15.10.1944 an die Familie

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Nikolaus Groß

Berlin-Tegel, den 15.10.44
Seidelstraße 39
Haus 1

Nr. 1499
8/326

Allerliebste Mutter,
Ihr lieben, guten Kinder alle!

Kaum war mein letzter (7.) Brief abgegeben, da kam am nächsten Tage die nachgeschickte Post von Fürstenberg, und zwar: Dein Brief, liebe Lisbeth, vom 25.9. und eine Karte von Dir, auf der Du mitteilst, daß Du nach Neviges willst. In dem Briefe waren 8 Zeilen gestrichen; offenbar hast Du meine Sache oder ihre Aussichten berührt. Das ist nicht gestattet. Komme also auf solche Dinge nicht zu sprechen. Außerdem bekam ich einen Brief von Berny, der ich heute nach Bonn antwortete; einen Brief vom 25.9. und eine Karte vom 28.9. von Marianne; 3 Briefe von Liesel vom 25. u. 29.9. und Geburtstagsgruß (ohne Datum); einen Brief von Alex vom 1. 10., einen Brief von Maria aus Zollstock und von Lisbeth aus Dilldorf. Sage bitte allen, da ich nicht jedem persönlich antworten kann, meinen herzlichen und freudigen Dank. Am 12. 10. kam auch die in die Reinigung gegebene Wäsche von Fürstenberg an. Den Mantel und die Hemden habe ich noch nicht bekommen; aber es wird alles schon kommen. Auch habe ich auf die von hier geschriebenen Briefe noch keine Antwort von Euch und Alex.
Mir geht es noch gut. Mein Magen hält sich tapfer. Darum braucht Ihr also keine Sorge zu haben. Liebe Lisbeth! Du fragst, ob Du mich besuchen könntest. Das ist jetzt noch nicht möglich. Du mußt Dich gedulden. Wenn es soweit ist, schreibe ich Dir. Also Geduld, liebe, gute Mutter, alles gibt sich mit Geduld und Gottvertrauen. Das ist für Dich schwer, aber vielleicht ist es für mich noch schwerer in der Einsamkeit. Es gehört dieses zu dem Kreuz, das wir tragen, zu dem Opfer, das wir bringen müssen. Und denken wir an Klaus, der morgen vor 2 Jahren, am 16. 10. eingezogen wurde und von dem wir nun seit über einem Jahre nichts wissen. Sein Los ist noch schwerer, darum wird uns unseres leichter fallen im Gedenken an ihn. Also Geduld, wenn es soweit ist, schreibe ich. Da ich nicht weiß, wann nächster Posttag ist und wie lange die Zustellung braucht, will ich schon heute zu Deinem und Liesels Namenstag im November von Herzen Glück u. Segen wünschen. Daß meine Wünsche von Herzen kommen, weißt Du. Und daß ich Dich immerfort mit meinem Gebet begleite, brauche ich nicht besonders zu sagen. Gott möge Dir zu Deinem Namenstage alles geben, was Du von ihm erbittest. Und Liesel möge in gleicher Weise beschenkt sein.
Hier verläuft der Tag genau, wie er in Fürstenberg verlief u. eingeteilt war; nur eben daß wir abends nicht um 20'/z, sondern schon um 18'/z Uhr schlafen gehen, die Verpflegung ist gut und man kann über Schmackhaftigkeit u. Qualität nicht klagen.

der, Deine und die der Kinder und das Soldatenbild von Klaus, stehen mir Tag und Nacht vor Augen und grüßen mich. Mit ihnen unterhalte ich mich, mit ihnen zusammen bete ich und es ist, als sei ich in Eurer lieben und mir so teuren Gemeinschaft. Du bist der Mittelpunkt dieser Gemeinschaft, liebe Mutter, und darum bin ich mit meinen Gedanken auch besonders bei Dir.
Grüße alle Kinder von Herzen: Berny, Marianne, Elisabeth, Alex, Bernhard u. Leni. Ein stilles Gedenken für Klaus. Grüße an Lene, meinen und Deinen Vater und Geschwister. Wenn Du nach Köln kommst, Grüße an alle Bekannten und Nachbarn. Besonders herzlichen Gruß für Dich. Innigen Kuß und liebende Umarmung. In der Liebe, die wir gelobt, verbleibe ich Dein stets getreuer

Nikel.


Schreibe bitte bald Antwort, auch die Kinder. Grüße an alle Kölner Freunde und Bekannte. - Wenn dieser Brief gerade abgegeben sein wird, kommt todsicher Post von Euch. Grüßet am Allerseelentag die Mütter.


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