Bericht der Gestapo über Nikolaus Groß

vom 12. September 1944

[Zurück]

Berlin, den 12. September 1944

1.) Ehemalige christliche Gewerkschaften

Durch die Verhaftung und Vernehmung des Schriftleiters Nikolaus Franz Gross hat sich der Kreis der Mitwisser aus den ehemaligen christlichen Gewerkschaften stark verbreitert. Gross ist seit 1921 in der Christlichen Gewerkschaft tätig gewesen, hat in dem katholischen Verlag Kettelerhaus GmbH verschiedene Zeitschriften bis zum jeweiligen Verbot geleitet und war zuletzt im Buchverlag tätig. Er ist ein enger Bekannter von Jacob Kaiser und Letterhaus, mit denen er seit Ende 1942 im ständigen Gespräch über die Umsturzpläne gestanden hat. Er wurde insbesondere von Kaiser über die Absichten der Gruppe Beck-Goerdeler-Leuschner und über die Deutsche Einheitsgewerkschaft eingehend unterrichtet und vielfach in Personalfragen von Kaiser um Rat gefragt.

Ende Oktober 1943 wurde ihm von Kaiser als Politischer Beauftragter für das Saargebiet Koßmann genannt. Kaiser forderte Groß auf, Koßmann aufzusuchen und sein Einverständnis einzuholen. Er erhielt den Rat, vorher bei dem Dechanten Krämer in Saarbrücken vorzusprechen und sich bei diesem über Koßmanns Einstellung und Tätigkeit während der letzten Zeit zu unterrichten.

Groß hatte Gelegenheit, in Berlin kurz mit Goerdeler darüber zu sprechen, der damit einverstanden war, daß er den Auftrag durchführte. In Saarbrücken besuchte Gross, anknüpfend an alte gemeinsame Bekannte aus der Zentrumszeit und auf der Grundlage der Neuigkeiten, die er von Krämer erfahren hatte, Koßmann vor dem Mittagessen und verabredete sich mit ihm für nachmittags 15 Uhr an der Kirche St. Johann. Von dort nahm ihn Koßmann mit in ein nebenan gelegenes katholisches Heim.

Mit Kaiser war ausgemacht, daß, wenn Koßmann zustimmte, Groß ein Telegramm an ihn bzw. Frau Nebgen senden sollte: "Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag". Koßmann konnte sich jedoch nicht entschließen, den Auftrag anzunehmen. Er berief sich darauf, daß er reichlich alt und nicht gesund sei und daß andere eine solche Aufgabe besser erledigen könnten. Groß konnte Kaiser später nur dieses negative Ergebnis mitteilen und will im übrigen froh gewesen sein, dass er sich des Auftrags überhaupt entledigt hatte. Bei Frau Dr. Nebgen handelt es sich um die ehemalige Leiterin der Christlichen Arbeiterhilfe. Jacob Kaiser wohnte bei ihr (in Köln). Sie bekam das wesentliche aus allen Besprechungen mit, die in dem langen Zeitraum von rund zwei Jahren geführt worden sind. Nach der Aussage von Groß ist Letterhaus verhältnismäßig skeptisch gegenüber den Plänen der engeren Verschwörerclique um Goerdeler gewesen.

"Er selbst glaubte nicht an eine solche Aktion, weil er den Generalen nicht zutraue, daß sie überhaupt einen politischen Akt setzten."

Letterhaus hatte mehr auf der Basis geplant, was zu geschehen habe, wenn der Krieg verloren wird.

An derartigen Gesprächen waren unter anderen beteiligt Wilhelm Elfes, Polizeipräsident a.D.. von Krefeld

(...) Das Ergebnis der Besprechungen über das, was entweder nach dem Kriegsverlust oder nach einem noch vorher stattfindenden Umsturz geschehen sollte, hat Gross in zwei Notizen "Die großen Aufgaben" und "Ist Deutschland verloren?" niedergelegt.

Quelle: Jacobsen, Hans-Adolf (Hg.): Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944. Geheime Dokumente aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, Bd. 1, Stuttgart 1989, S.380f

Aus: "Nikolaus Groß, Arbeiterführer - Widerstandskämpfer - Glaubenszeuge, Wie sollen wir vor Gott und unserem Volk bestehen?" Details zu diesem Buch mehr..., Seiten 237 - 239


[Zurück]