Brief vom 05.09., 06.09. und 07.09.1944 an die Familie

[Zurück]

05.09.1944

Fürstenberg, d. 5.9.44

Liebe Mutter
Ihr lieben Kinder alle!

Ich will schon heute den Brief beginnen, den ich morgen und übermorgen fortsetzen will. Man muß sich die Freude gut einteilen. Meinen ersten Brief werdet Ihr in Händen haben, wenn dieser zweite eintrifft. Ich hoffe, daß er Euch Freude gemacht hat. Wie Ihr, so warte ich mit Sehnsucht auf Nachricht. Es kann bei Euch in der Zeit meiner Abwesenheit viel vorgegangen sein. Daran bin ich mit dem Herzen beteiligt. Darum hoffe ich auch auf Eure fleißige und ausführliche Nachricht. Ich brauche Euch nicht zu sagen, daß andere Fragen und Angelegenheiten als die unseres persönlichen und familiären Lebenskreises in unseren Briefen nichts zu suchen haben. Ihr seid es, die mich interessieren. Darum möchte ich von Euch hören. Natürlich habe ich auch Wünsche und Bitten. Es fehlt mir ja so ziemlich alles, was ein Kulturmensch braucht, weil ich nichts mitgenommen hatte. Nicht einmal Rasierzeug. Und ein Wochenbart ist eine unangenehme Sache. Aber die Wünsche kommen zum Schluß.


06.09.1944

Heute ist der Tag, an dem vor einem Jahre unser Klaus verloren ging. Wie mich dieser Gedanke beschäftigt. Im Geiste war ich heute früh um 7 Uhr mit Euch in der Messe, stand mit Euch in der gleichen Gemeinschaft, um für unsern vermißten Jungen zu beten. Möge es Euch wie ein kleiner Funken stillen Glückes und starken Trostes ins Herz gefallen sein, daß wir in dieser Stunde verbunden waren, wie je zuvor. Tiefen Schmerz macht es mir, wie vor allen Dingen Du, liebe Mutter, die Prüfung dieses Tages bestehen mußt, nunmehr eine doppelte, die um den Klaus und die um mich. Aber ich helfe Dir, liebe Mutter. Ich habe viel Zeit für das Gebet und ich lasse sie nicht ungenutzt. Bleibe auch Du mit den Kindern immer bei mir.


07.09.1944

Ich bin dem Herrn Commertz noch 20.-Mark für Holthausen schuldig. Ich konnte die Angelegenheit vor meinem Fortgang nicht mehr erledigen. Gebt ihm bitte die 20.-Mark. Wenn Ihr mir noch einige Sachen schicken könnt, dann bitte folgende: einen Hut (nicht den besten, sondern den alten grünen oder grauen), Schal, Schnürsenkel, Butterdose und -messer, Kleiderbürste, etwas Nähzeug, nur Nähgarn und Nadel, Weste oder Pullover. Ich schreibe das so, weiß aber nicht, wie es mit dem Paketverkehr steht.
Dir, liebe, gute Marianne, zum Namenstag viele, viele Glückwünsche. Möge Dir alles in Erfüllung gehen, was Du Dir erhoffst. Viele Grüße auch an die Kinder, die nicht zu Hause sind: Elisabeth, Alex und Bernhard, vielleicht auch Leni. Vergeßt die Grüße von Vater nicht, wenn Ihr ihnen schreibt. Sie können mir auch schreiben.
Hat es keinen neuen Angriff auf Köln gegeben? Ist bei Euch noch alles heil? Seid Ihr noch alle gesund. Was macht Opa Groß und Opa Koch?
Herzinnigen Gruß, Dir, liebe Mutter!
Grüße für Berny mit ihrem Michael, Marianne, Elisabeth, Alex, Bernhard und Leni.
Bleibt gesund und starken Mutes, wie ich es bin.

Euer Vater.

Absender:
Nikolaus Groß
z. H. von Herrn Krim. Rat Lange, (3) Fürstenberg (Mecklenburg) Sicherheitspolizeischule


Klicken Sie für mehr zu diesem Thema Zum nächsten Brief

[Zurück]