Westdeutsche Arbeiterzeitung,
Auszug

[Zurück]

Im Wahlkampf März 1933

Nationale Revolution?

Harzburger Front ist Trumpf! Neuwahlen sind die Folge.

Wie schrieb doch seinerzeit Herr von Papen (...): "Nach Brüning kommt das Chaos!" So sieht`s aus, nur nennt man`s anders. Diejenigen, die das Bürgertum revolutioniert, das Denken verwirrt, das rechtliche Empfinden ausgehöhlt und den Gewaltgedanken gepredigt haben, sind dabei, einen Staatsnotstand zu schaffen, den sie zum Ausgangspunkt nehmen zur Gegenrevolution.

Nationale Revolution? Nein! Einstweilen nur Signal dafür, daß (...) rechts und links (...) Rachegeschrei zunimmt, politische Morde sich häufen, die allgemeine Unsicherheit wächst. Fürwahr - ein seltsamer Aufbruch! (...)

Niemand kann verkennen, daß es jetzt wirklich ums Ganze geht. Nämlich darum, ob bestimmte Parteien und Gruppen die Macht an sich reißen, die Staatsgewalt in ihren Dienst stellen und sie andere fühlen lassen. Das wäre ein Sieg nicht des Nationalen, sondern des Parteigedankens, das wäre die Verewigung der Kluft, die unser Volk verhindert, eine Einheit zu werden. Das kann nicht sein und das darf nicht sein. Darum setzen wir bewußt den Kampfparolen dieser Tage eine andere entgegen. Nicht links oder rechts! Weder das eine noch das andere!

Der gesunde Sinn, die Vernunft, die Möglichkeit der Verständigung liegt in der Mitte. Wer "rechts" sagt, verkündet die Todfeindschaft gegen links. Und wer "links" sagt, die Todfeindschaft gegen rechts. (...) Wenn wir dieser falschen Parole "entweder-oder" eine klare und entschlossene Absage erteilen, so wollen wir damit verhindern, daß unser Deutschland auf lange Zeit ein Bürgerkriegsgebiet wird, in dem Generäle und Truppen aufgehetzter Menschen gegeneinander wüten, um sich selbst zu vernichten. Was wir brauchen, ist nicht Selbstvernichtung, sondern Selbstbesinnung. Es kann kein Zweifel sein, wo katholische Arbeiter in dieser entscheidenden Auseinandersetzung über alle kommenden Dinge zu stehen haben. Wir stehen da, wo unser altbewährtes Zentrum steht. Sein Geist, seine Auffassung von Staat und Volk, ist auch die unserige. Mit ihm kämpfen wir den Kampf. Für Volkseinheit. Wir sehen diejenigen am Werk, die unser Volk heillos zerklüften und zerspalten. Wir sind so weit, daß ein Teil den anderen als vogelfrei erklärt und verkündet, daß, wer seine Ansicht nicht teilt, ein Landesverräter sei. Wer so spricht und tut, ist ein Feind der Volkseinheit, ein Feind Deutschlands. (...)

Für Volksfreiheit. Der Philosoph der nationalen Konzentration, Spengler, erklärt irgendwo, Rechte des Volkes seien lächerlich. Es gäbe nur ein Volksrecht, das auf die Leistungen derer, welche regieren. Wir wissen, was er damit meint. Das heißt, die Regierung hinnehmen, einerlei, wie sie aussieht und woher sie kommt. So haben wir nicht gewettet. Wir können uns nur eine Regierung denken, die aus höchster Gewissenhaftigkeit heraus den Staatsgedanken als sittliche Idee und nicht als ein Machtinstrument ansieht. Wir verwerfen den Staat, der den Einzelnen, den Familien, den freien Verbänden keinen Atem mehr lassen und den Untertan für sich allein beschlagnahmen will. Und dieser falsche Staat will heute werden. Was ein Freiherr vom Stein vor hundert Jahren geschaut, daß es kein Volk geben kann ohne freie Bürger und daß diese Freiheit Mitbestimmung im Staate heißt, das kann heute nicht falsch sein. Wir wollen keine Heloten sein, keine unselbständigen Massenmenschen werden, die vor jedem Briefkasten stramm stehen müssen.

Für das Recht, das niemals eine Erfindung von Parteien und Gruppen und das Ergebnis ihrer Macht sein kann. Wir sind heute in einer Verwirrung des Rechtsbewußtseins wie nie zuvor. Weite Kreise des Volkes haben den Eindruck, daß Regierende keine Hochachtung vor den verfassungsmäßigen Volks- und Landesrechten haben. Damit ist der Glaube an die Allgewalt des Rechtes ins Wanken gekommen. Das nennen wir die größte Gefahr der Stunde. (...) Wo kein Recht mehr ist, wird Gewalt und Gewalttätigkeit sein. Wir aber können nicht anders, als kämpfen

Es darf nicht sein, daß wirtschaftliche Gruppen, - und wären sie noch so stark - daß Schwerindustrie und Großgrundbesitz des Ostens den deutschen Staat beherrschen und das deutsche Volk niederzwingen. (...) Für diese Ideen gehen wir in den Wahlkampf, mit dem klar erkannten Ziel, denen die Herrschaft zu verwehren, die danach trachten. Sie sollen am 5. März die Mehrheit nicht haben.

Sie sollen nicht die Möglichkeit bekommen, zu tun, was ihnen beliebt. Sie sollen mit uns rechnen müssen, so oder so. Der Kampf wird hart und schwer. Das kann Opfer kosten wie noch nie. Wir sind dazu bereit. (...) Mit uns das Recht.

Mit uns alle, die zu wahrem Christentum und gesundem nationalem Sinn, zur Verfassung, zur Republik, zu einem freien Volke und zum sozialen Volksstaat stehen.

Quelle: Westdeutsche Arbeiterzeitung, 17.02.1933

Aus: "Nikolaus Groß, Arbeiterführer - Widerstandskämpfer - Glaubenszeuge, Wie sollen wir vor Gott und unserem Volk bestehen?" Details zu diesem Buch mehr..., Seiten 109 - 111


[Zurück]