Marianne Hapig

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1894 - 1973

Marianne Hapig war Fürsorgerin aus Leidenschaft. 32 Jahre lang arbeitete sie im Hedwigskrankenhaus in Berlin. Je länger das „Dritte Reich“ dauerte, um so mehr wurde dieses Krankenhaus in der Hamburger Straße zum Umschlagplatz vielseitiger Hilfe. Nach dem 20. Juli 1944 wurde ihr Büro zu einer Anlaufstelle für die Angehörigen der Männer des Widerstandes, so auch für Elisabeth Groß. Für Nikolaus Groß und für die anderen Gefangenen war entscheidend, dass sie ihre Angehörigen in der Nähe wussten und das Gefühl hatten: draußen mühen sich Menschen um uns. Gemeinsam mit ihrer Freundin Marianne Pünder1 hat sie den Angehörigen Quartiere besorgt, Verbindungen hergestellt, damit sie eine Besuchserlaubnis im Gefängnis erhielten, einen vernünftigen Anwalt fanden – sie haben mit ihnen jedes Gespräch vorher durchgesprochen; denn bei Behörden und Ministerien eines Willkürstaates kommt es ja darauf an, wie man einen Wunsch vorträgt, wie man die Schwächen eines anderen anspricht, damit einer trotz aller Ideologie auf die menschlich verständlichen Wünsche eingeht.

Die beiden Mariannen handelten im Auftrag von Kardinal Preysing, dem Erzbischof von Berlin. Sie veranlassten die Beseitigung von Akten und orientierten die Gefangenen, was sie in Verhören sagen und was sie in Verhören nicht sagen durften. Damit haben sie vielen Menschen das Leben gerettet.

Sie übernahmen auch die Sorge für Nikolaus Groß und für Pater Alfred Delp. Marianne Hapig hat die Abschiedsbriefe von Nikolaus Groß und die Aufzeichnungen von Pater Alfred Delp aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt. Mit Erlaubnis von Kardinal Preysing sorgten die beiden Mariannen dafür, dass die Frauen ihren gefangenen Männern die Kommunion ins Gefängnis mitbringen konnten. Priestern haben sie die Möglichkeit verschafft, in der Gefängniszelle zu zelebrieren. Marianne Hapig hat auch an Prozessen vor dem Volksgerichtshof teilgenommen und die letzten und schweren Mitteilungen den Angehörigen übermittelt...sie hatte wohl auch die Gabe des Trostes.

Ihre Sorge für Menschen in Not ging weit über die Gefangenen von Tegel hinaus. So hatte sie in ihrem Büro eine Kartei illegaler Jüdinnen, denn sie half, als Haushaltshilfe für entlassene Kranke unterzukommen. Sie nahm Kontakt zu einem Popen auf, der zu den russischen Zwangsarbeitern im Hedwigskrankenhaus kam und dort mit ihnen den orthodoxen Gottesdienst feierte.

Dieser Einsatz für die Gefangenen von Tegel, für ihre Angehörigen, für die Zwangsarbeiter und für die Jüdinnen in Berlin war gerade in der Endphase des Krieges für Marianne Hapig und für ihre Freundin mit großer persönlicher Gefahr, mit Lebensgefahr verbunden.

Was waren die Motive und Beweggründe aus denen heraus Marianne Hapig diese Gefahren bewusst in Kauf nahm und allen Menschen in Not zu helfen versuchte?

Dazu sagte sie nach dem Krieg in einem Interview des deutschen Fernsehens:

„Immer, wenn ich mit einem armen Menschen in Not zu tun hatte, hatte ich das Gefühl, jetzt will Christus von Dir, dass ich da helfe, dass ich da etwas tue. Er ist mir also eigentlich in der Gestalt von Armen und Kranken und Gefangenen begegnet.“

Ein eindrucksvolles Beispiel für ihre tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben ist eine Begebenheit aus den letzten Kriegstagen, die auch im Musical „Nikolaus Groß“ nachgespielt wird:

Marianne Hapig und andere Frauen, die ihre Gefangenen besuchen wollten, weigerten sich bei einem Fliegeralarm, in einen Schutzgraben vor der Tegeler Haftanstalt zu gehen und erzwangen es, in den Luftschutzkeller unter den Beamtenwohnungen eingelassen zu werden; dort beteten sie, Gläubige und Ungläubige, durchgeschüttelt von Detonationen laut den Rosenkranz; nach Ende des Angriffs – standen sie wieder draußen – zitternd vor dem Splittergraben, in den ein Volltreffer gegangen war. Für Marianne Hapig war es klar: Hier war die Hand Gottes, hier war der Schutz der Gottesmutter...da gab es keinen Zweifel.

Zitiert nach: „Alfred Delp. Kämpfer – Beter – Zeuge; Nachwort S. 82-87


1) Pünder, Marianne
* 01.04.1898 Köln (RheinProvinz)
+ 11.08.1980 Berlin
Juristin, Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime

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