Historische Gewissensforschung
der Weltkirche

am Ende des 2. Jahrtausends nach Christus

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Papst Johannes Paul II. bewegte seit längerer Zeit das Anliegen, daß die Kirche am Ende des zweiten Jahrtausends in einem "Akt der Aufrichtigkeit und des Mutes" ihr vielfaches Versagen in der Geschichte offen und selbstkritisch anerkennt und um Vergebung bittet. Das von der Kirche gefeierte "Heilige Jahr 2000" biete die Gelegenheit zu einer "Reinigung des Gedächtnisses" der Kirche "von allen Denk- und Handlungsweisen, die im Verlauf des vergangenen Millenniums geradezu Formen eines Gegenzeugnisses und Skandals" darstellten. Die Kirche könne "die Schwelle des neuen Jahrtausends nicht überschreiten, ohne ihre Kinder dazu anzuhalten, sich durch Reue von Irrungen, Treulosigkeiten, Inkonsequenzen und Verspätungen zu reinigen" (Apostolisches Schreiben "Tertio Millennio Adveniente" vom 10. November 1994). Am Sonntag nach Aschermittwoch des Jahres 2000 trug Papst Johannes Paul II. seine Vergebungsbitte zu den Verfehlungen in der Geschichte der Kirche vor.

In dem aus Anlaß der Vergebungsbitte von der Internationalen Theologischen Kommission herausgegebenen Stellungnahme "Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit " heißt es in dem Abschnitt zum Verhältnis von Christen und Juden in Bezug auf die NS-Zeit: " (...) Die Schoah, der Judenmord, war freilich das Ergebnis der ganz und gar heidnischen Ideologie des Nationalsozialismus, der, getrieben von einem erbarmungslosen Antisemitismus, nicht nur den Glauben der Juden verachtete, sondern die Menschenwürde des jüdischen Volkes negierte. Dennoch kann man sich fragen, ob die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten nicht doch auch von antijüdischen Vorurteilen begünstigt wurde, die in den Köpfen und Herzen einiger Christen lebendig waren. Haben die Christen den Verfolgten und darunter besonders den Juden jede mögliche Hilfe gewährt? Zweifellos gab es viele Christen, die ihr Leben riskierten, um das Leben ihnen bekannter Juden zu retten und ihnen beizustehen. Auf der anderen Seite aber scheint es auch wahr zu sein, das neben all diesen mutigen Männern und Frauen der geistliche Widerstand und die konkrete Aktion anderer Christen nicht diejenige war, die man von einem Jünger Christi erwarten durfte. Diese Tatsache bedeutet für alle Christen von heute einen Appell an das Gewissen zu einem Akt der Reue (teschva). (...)"

Quelle: Internationale Theologenkommission, Erinnern und Versöhnen. Die Kirche und die Verfehlungen in ihrer Vergangenheit, ins Deutsche übertragen und herausgegeben von Gerhard Ludwig Müller, Freiburg 2000


Aufgabe:
  1. Erörtern Sie das Problem von Schuld und Versagen der katholischen Kirche auf der Grundlage der Quellen, die Sie im Unterricht behandelt haben!

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