26. September 2021:

Gedenkgottesdienst zum Geburtstag von Nikolaus Groß

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mit Minister Karl-Josef Laumann und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

Am 30. September 1898 wurde Nikolaus Groß in Hattingen an der Ruhr geboren. Deshalb wird jedes Jahr an einem Sonntag vor oder nach dem 30. September ein Gottesdienst im Dom von Xanten gefeiert. So auch in diesem Jahr, am 26.09.2021. Minister Karl-Josef Laumann erinnerte in seiner Predigt an den Arbeiterführer und Glaubenszeugen.

Minister Karl-Josef Laumann im Dom zu Xanten

Was kann uns Nikolaus Groß für unser Leben sagen?

Predigt von Minister Karl-Josef Laumann

Liebe Christinnen und Christen,
heute an diesem wichtigen Tag in Xanten, hier im wunderschönen St. Viktor-Dom. Ich freue mich und bin auch ein wenig stolz darauf, dass ich von der KAB und ihrem Diözesanpräses in Münster gebeten wurde, heute hier zu sprechen.

Gerne teile ich an diesem Morgen meine Gedanken zu Nikolaus Groß mit Ihnen: zu seinem Leben und Wirken, zu seinen Schriften - insbesondere zu dem Abschiedsbrief an seine Frau, den wir eben gehört haben - und zu den Wirkungen für uns.

Zunächst möchte ich mich aber vorstellen. Ich bin Karl-Josef Laumann, bin verheiratet und habe drei erwachsene Kinder. Eigentlich habe ich Schlosser gelernt, aber ich bin seit vielen Jahren Politiker der CDU und Minister dieses Landes Sie merken schon: katholisch, CDU - ich bin ein konservativer Mensch. Christlich und sozial geprägt. Aber konservativ bedeutet für mich nicht, sich jedem neuen, jedem Neuanfang zu verschließen. Für mich bedeutet es, sorgsam mit Bewährtem umzugehen: Werte zu IEwahren und sie nicht leichtfertig über den Haufen zu werfen. Gut zu überlegen, wenn etwas erneuert werden muss.

Aber manchmal denke ich auch: "Das muss anders werden!" Wir brauchen eine Neubesinnung! Einen Neubeginn! Wir müssen unseren Kompass neu ausrichten. Und dafür brauchen wir ein Leitbild: Ein Leitbild, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Das den Menschen als Ausgangspunkt und als Ziel allen politischen Tuns festlegt. Und das eine soziale und gerechte beschreibt, in der der Mensch in Würde leben kann.

Es war das Leitbild der christlichen Botschaft, das Nikolaus Groß Zeit seines Lebens bewegte.

1898 als Arbeitersohn geboren, war er selbst Arbeiter durch und durch; zuerst in einem Blechwalzwerk dann als Kohlenhauer unter Tage.

Sein Wesen aber war geprägt von seinem unerschütterlichen katholischen Glauben. Aus diæem Glauben heraus er sein Leben und ich möchte zwei Dinge besonders hervorheben: seine große Liebe für die Familie und sein Engagement für die Menschen, verbunden mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus. Bei seiner ganzen Familienliebe kannte Nikolaus Groß keinen Rückzug in die Familienidylle. Er blieb wach für die großen gesellschaftlichen Probleme. Familie, Arbeit und gesellschaftliche Verpflichtungen - das waren für ihn christliche Aufträge, die er konsequent gelebt hat.

Und so wurde er früh Mitglied der Zentrumspartei und im Knappenverein. Sein politischer Weg führt ihn weiter zum Gewerkschaftssekretär und später zum Journalist der damaligen KAB-Zeitung. Wegen seiner Kontakte zur Widerstandsgruppe des 20. Juli wurde Groß nach dem Attentat auf Adolf Hitler im August 1944 von der Gestapo verhaftet, ins Gefängnis Ravensbrück eingeliefert und dann ins Zuchthaus in Berlin-Tegel gebracht, wo er im Januar 1945 hingerichtet wurde.

Seine Seligsprechung vor nunmehr 20 Jahren ist ein Ansporn für mich und die gesamte KAB, ihm in diæer Lebensweise nachzufolgen. Denn genau so sehe ich unseren Auftrag als KAB-Mitglieder: Soziales Engagement aus einem christlichen Verständnis heraus. Und dies kann nicht nur den geweihten Priestern und Diakonen überlassen werden, sondern diese Solidarität füreinander ist ein Auftrag an uns alle. "Was Ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan," formuliert Christus selbst den Auftrag an uns im Matthäus Evangelium (Mt 25, 40).

Dies ist aber auch ein Auftrag an die Politik. Denn auch hier muss die christliche Botschaft das Handeln bestimmen. Ein Blick in die Geschichte zeigt: In den guten Jahren unseræ Landes hat die katholische Soziallehre die Gesellschaftspolitik geprägt: Immer dann, wenn sie politische Richtschnur war, ging es den Menschen gut.

Der Katholik Konrad Adenauer hat die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst auf christlichen Werten gebaut. In einer Rede er 1946 die "Denke" der neu gegründeten CDU folgendermaßen: "Die menschliche Person hat eine einzigartige Würde, und der Wert jedes einzelnen Menschen ist unersetzlich" Dieser "Kern der christlichen Ethik", so Adenauer, erfordere ein neues Gesellschaftsbild: Staat und Wirtschaft seien kein Selbstzweck, sondern sie hätten eine "dienende Funktion" gegenüber den Menschen. Menschen wie Nikolaus Groß dienen uns als Leitbild für unser Leben und das politische Handeln. Ehrlich und konsequent hat er uns ein Beispiel christlichen Einsatzes füreinander vorgelebt. So soll unsere Politik sein: die schwächeren im Auge behalten und allen die Möglichkeit sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dabei auch an die denken, denen das nicht mit eigener Kraft gelingt

Liebe Christinen und Christen,
diese Werte sind die Grundfeiler der Sozialen Marktwirtschaft und für die katholische Soziallehre. Diese stehen auch für das Wirtschaftswunder nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie zeigen, dass auch nach der schwersten aller Krisen ein Neubeginn möglich ist. Dass Tugend und Moral nicht sterben können, solange es Menschen gibt, die sich ihren Kompass bewahren. Und sie zeigt, dass die Hoffnung auf eine bessere Zeit immer berechtigt ist. Auch in den dunkelsten Stunden.

So wird es uns auch nach dieser fürchterlichen Pandemie gelingen, wenn wir zusammenhalten und solidarisch Sind. Unser Volk besteht aus Gemeinschaften von Menschen, aus Familien, aus Interessengruppen, - aus Menschen in Lebenssituationen Füreinander da zu sein, Solidarität einzufordern - das ist auch heute modem. Das sind konservative Werte, die wir nicht vergessen sollten. "Den Armen gehört das Himmelreich" - auch den denen, die durch Corona am Rande ihrer Existenz stehen und den kranken und alten Menschen. Wir können stolz darauf sein, wie diszipliniert wir bisher diese Pandemie haben. Machen wir weiter so! Übernehmen wir Verantwortung füreinander und üben wir uns in Solidarität: beim Tragen der Maske und besonders Impfen!

Unser christlicher Kompass gibt uns die Richtung vor: Dazu gehört es 1: genau hinzusehen. Wo ist Ungerechtigkeit offenbar? Wo ist Armut? Wo leben wir auf Kosten nachfolgender Generationen? Z.B. beim Klimawandel

Dann 2.: zu urteilen, zu und zwar auf der Basis unseres christlichen Weltbildes. Nur Christus allein gibt uns die Richtung vor. Und wir brauchen nur auf seine Worte zu hören um soziale Missstände nicht nur zu sehen, sondern sie auch richtig zu EEurteilen.

Und wichtig ist auch die 3. Komponente der christlichen Soziallehre: das Handeln. Sehen und beurteilen allein reicht noch nicht aus - wir müssen auch danach handeln. "Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es." Sagt uns schon Erich Kästner.

Vertrauen haben

Aber Christen, zur Solidarität zu einer christlichen Gesellschaft gehört auch "Vertrauen". Das ist wie in einer guten Ehe: Ohne Vertrauen läuft gar nichts. Man muss sich aufeinander verlassen können, In seinem Abschiedsbrief an seine Familie spüren wir dieses tiefe Vertrauen, das Nikolaus Groß nicht nur zu seinem Heiland hatte, sondem auch zu seiner Familie, zu seiner Frau. Es sind bewegende Worte, die wir gehört haben. Das gilt nach meiner Meinung atEr auch im übertragenen Sinn für unsere Gesellschaft: Vertrauen auch in den Staat und in die Politik.

Wir müssen wieder erkennen, dass man sich auf Politiker verlassen kann. Derzeit ist doch so, dass alles hinterfragt und in Frage gestellt wird. Bis hin zu Zahlen oder wissenschaftlichen Berechnungen. Wenn Sie heute zur Bundestagswahl gehen, dann überlegen Sie, wem Sie dieses Vertrauen schenken können und wer sein Handeln auf christliche Werte stützt.

Persönlich

Am Schluss möchte ich auf mich selbst schauen. Ich glautz wir Menschen müssen uns immer selbst EEtrachten - und uns Immer wieder ändern - und verändern. Christus ruft uns ja auf zur Umkehr. Unsere Kirchen bieten uns den Raum fur diese Reflexion. Sie bieten uns den Raum auch zur Neuausrichtung unseres Lebens und vielleicht mit unserer Beziehung zu Gott. Und darum sind sie auch heute noch wichtig und erfüllen eine wichtige gesellschaftliche und persönliche Rolle - der Frage: Wo müssen wir - muss ich mich ändern?

Dazu haben wir Leitbilder, an denen wir uns festhalten können. Nikolaus Groß war Katholik, Ehemann und Vater von sieben Kindern, Sprecher der Arbeiter, konsequenter politischer Streiter für Freiheit und Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch Nordrhein- Westfale. Sein Gedenken lohnt sich, weil er in seinem Vorbild so aktuell ist: Wir brauchen heute nicht zu befürchten für unser soziales Engagement und für das Eintreten von Rechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ins Gefängnis zu kommen. Wieviel größer müsste da eigentlich unser Einsatz sein?

Letztlich dürfen wir bei allen Neuanfängen, bei allen Änderungen, Reformen und Selbstbetrachtungen auf Gottes gütige Hilfe vertrauen. "Ich bin bei Euch alle Tage, bis zum Ende der Welt," ruft Christus uns zu. Ihm dürfen wir Vertrauen. Allein durch den Glauben an Christus haben wir schon einen Neuanfang gemacht.

Wenn Sie heute nach Hause gehen, dann würde ich mich freuen, wenn Sie eines behalten würden: "Der selige Nikolaus Groß hat uns mit seinem Leben gezeigt: Im Vertrauen auf Dich, Christus, ist immer ein Neuanfang möglich!"

Amen

Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck

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