Pontifikalamt am 23. Januar 2017

Gedenktag des Seligen Nikolaus Groß

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Während des Pontifikalamts am Gedenktag des Seligen Nikolaus Groß im Essener Dom predigte Weihbischof Wilhelm Zimmermann:

Liebe Brüder und Schwestern,

das neue Jahr ist gerade drei Wochen alt und Weihnachten seit vier Wochen vorüber. Heute vor einem Monat war ein Tag vor Heiligabend. Wegen dieser zeitlichen Nähe ist es sicher erlaubt, noch einmal an das Geschehen in Betlehem und an die Krippe zu erinnern. Und uns einen Satz aus dem Brief in Erinnerung zu rufen, den Nikolaus Groß am Heiligen Abend 1944 an Frau und Kinder schrieb.

Darin heißt es:

„Mögen wir alle am Weihnachtsmorgen eine Herberge, eine Krippe in uns bereithaben, nicht so am Rande, in einem Winkel, in einem Stalle, sondern in der Mitte unseres Herzens.“

Eine Krippe in der Mitte unseres Herzens haben, ist das nicht ein Gedanke, der immer über die Weihnachtszeit hinausgehen muss?

So dass die Krippe und was sie verdeutlicht erfahrbar und lebendig bleibt über die Grenzen vorgegebener Zeiten und menschlicher Empfindungen hinaus!

Eine Krippe im Herzen tragen, dass heißt doch nichts anderes als den im Herzen tragen, der in der Krippe liegt, Jesus Christus und damit auch seine Botschaft und die Folgen, die sich daraus ergeben können. Das Leben des Seligen Nikolaus Groß, wie das vieler anderer Glaubenszeugen, war vor allem bestimmt durch das Leben in der Familie, im gesellschaftlichen Engagement und im christlichen Glauben. Bot ihm die Familie einen Rückzugsort, einen Ort des Ausruhens aber sicher auch einen Ort von Gesprächen und Diskussionen, so führten ihn sein öffentliches Engagement und sein tiefer Glaube in die politische Auseinandersetzung und schließlich nach Plötzensee.

Der bekannte Satz Jesu: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist“ (vgl. Mt 22,20ff) lässt sich leicht lesen aber schwerer leben. Es geht immer wieder um christliche Haltungen gegenüber äußeren Bedingungen von Staat und Gesellschaft.

In der Zeit des Nationalsozialismus stellte sich Nikolaus Groß gegen eine antichristliche und freiheitsfeindliche Ideologie, die dabei war, alle Lebensbereiche zu durchdringen.

Heute stehen wir vor Herausforderungen, die durch drei Zusammenhänge umschrieben werden können: Globalisierung, Flüchtlinge und Internet.

Glaubt man vielen in Politik und Kirche, dann wird sich unsere Gesellschaft durch Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten verändern. – Das berührt unser Leben und unsere religiösen Überzeugungen.

Die Frauen und Männer, die 1948 das Grundgesetz schrieben, konnten in der Präambel noch formulieren: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen (…) hat sich das Deutsche Volk (…) dieses Grundgesetz gegeben…“. Damals waren wir Christen in der alten Bundesrepublik nahezu allein und das christliche Menschenbild allgemeingültig. Heute bilden die Mitglieder der großen christlichen Kirchen noch ca. 45% der Bevölkerung. Veränderte die Wiedervereinigung mit ihrer großen überwiegend nicht getaufter Bevölkerung schon die soziale und religiöse Landschaft, so kommen in den letzten Jahren Menschen aus anderen Ländern, Kulturen und Religionen nach Deutschland. Geflüchtet vor Hunger und Krieg oder einfach eingewandert, um hier zu leben, zu arbeiten und an ihrer Zukunft zu bauen.

Wir spüren sehr deutlich: Globalisierung ist keine Einbahnstraße, auf der wir geschäftlich oder im Urlaub unterwegs sind. Wir erfahren, dass unsere Lebensart, unser Wohlstand und unsere sozialen Systeme durch die mediale Kommunikation nahezu auch den letzten Winkel der Welt erreichen und Menschen motiviert in unser Land zu kommen. Im Jahr 2017 wird es Bundestags- und Landtagswahlen geben. Und die gewählten Parteien und neu gebildeten Regierungen werden sich mit den angesprochenen Fragen befassen müssen. Und wir müssen uns zu den jeweiligen Ergebnissen verhalten und das als Menschen, die – wie Nikolaus Groß schreibt – eine Krippe im Herzen tragen und sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet fühlen.

Wir werden uns verhalten müssen, nicht wie Empfänger, die nur einfache Antworten konsumieren, sondern wie Menschen, die sich mit Hilfe christlicher Werte verantwortlich wissen für das Zusammenleben unserer Gesellschaft. Das wird nicht einfach sein und Differenzierungen erfordern. Wir leben nicht in einer Zeit, die dem „Dritten Reich“ ähnlich ist, und unser Leben als Christen ist hier auch nicht bedroht. Aber Menschen mit anderen Überzeugungen und Lebensvorstellungen, ebenso wie weltweite Veränderungen stellen unausgesprochen die Frage nach unserer Haltung und nach dem Fundament unseres Haus, das den Wassermassen und Wolkenbrüchen an Veränderungen standhält. - Die Krippe in unseren Herzen und das was sie bezeichnet, ist ein Haus, das auf Felsen gebaut ist.

Immer häufiger hört man in Diskussionen: „Die Welt ist aus den Fugen geraten!“ – Gemeint sind Krieg und Not in der Welt, aber auch eigene Ängste und Sorgen vor Unsicherheit und Verlust. Vieles ist verstehbar und beruht auf eigene Erfahrungen oder auf mediale Verbreitung. - Doch die Welt kann für Christen nicht aus den Fugen geraten, denn sie liegt in der Hand Gottes!

In der römischen Basilika Santa Maria Maggiore werden in einem Gefäß einige rohe Bretter aufbewahrt, die in Legende und Tradition als Reste der Krippe von Betlehem beschrieben werden. Man könnte fast sagen: „Bretter, die die Rettung der Welt bedeuten.“

Durch sie und unsere Krippen wird Glaube anschaulich. Krippen deuten dabei auf eine Wirklichkeit hin, die hinter der erlebbaren Wirklichkeit des Alltags steht: Das nämlich Gott für uns Menschen und zu unserem Heil vom Himmel gekommen ist, wie wir im „Großen Glaubensbekenntnis“ beten.

Aus diesem Glauben bezog Nikolaus Groß Halt und Antriebskraft. Diesen Glauben in uns zu vertiefen, das Fundament unseres Lebens immer wieder zu verbessern, ist dann letztlich auch ein Grund in jedem Jahr seinen Gedenktag zu begehen.

Amen.

Weihbischof Wilhelm Zimmermann

Quelle: Bistum Essen

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