07.10.2013

Predigt am Gedenktag der Seligsprechung von Nikolaus Groß

[Zurück]

und zum Jubiläum 150 Jahre KAB Niederwenigern
von Weihbischof Ludger Schepers
St. Mauritius Hattingen-Niederwenigern

Lesung: Röm 12,1-2.9-12
Evangelium: Mt 7,21-27

„Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.“ (Mt 7,25)

Liebe Schwestern und Brüder,

an diesem Satz bin ich hängen geblieben bei der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst und auf diese Predigt. Das ist es, was Nikolaus und Elisabeth Groß hier getan haben. Sie haben ihr Lebenshaus gebaut – zunächst allein, je für sich. Dann haben sie gemeinsam das „Haus ihrer Ehe“ gebaut – und sie haben es offensichtlich nicht auf Sand gebaut sondern auf einen festen Felsen.

Wahrlich, Stürme haben viele getobt. Am Haus ihres Lebens, auch ihres gemeinsamen Lebens und dem ihrer Kinder, ist stark gerüttelt worden. Der Felsen hat gehalten und getragen – das Haus ist nicht zusammengebrochen. Auch wenn es vielleicht für manche Menschen nach außen hin den Anschein machte.

„denn es war auf Fels gebaut“ – auf den Felsen der Ehe

In dieser Kirche haben sich Nikolaus und Elisabeth Groß das Sakrament der Ehe gespendet. Hier haben sie ihr „Ehehaus“ gegründet. Auch wenn sie dann Niederwenigern bald verlassen haben, ist hier das Fundament gelegt worden für ihr gemeinsames Haus und den gemeinsamen Weg über Zwickau, Bottrop und Mönchengladbach nach Köln.

Zwei Menschen haben zueinander Ja gesagt – zwei Menschen, die sich je für sich ihres Fundamentes bewusst waren. Das hat sie geprägt – das hat ihre gemeinsamen Entscheidungen und auch die je ganz einsamen getragen und möglich gemacht.

Ich denke, viele von Ihnen können bestätigen, dass es gut ist, in einer Gemeinde Menschen an der Seite zu haben, die mitbauen am Haus – real und im überbetragenen Sinn.

Nach dem Tod ihres Mannes muss Elisabeth Groß in Köln das ganz reale Haus ihrer Familie teilen. Sie verdient Geld durch das Vermieten von Zimmern. Wie schwer es für sie gewesen sein muss, ihr Schlafzimmer mit dem angrenzenden Bad an ein Hotel zu vermieten, kann man nur ahnen. Ich bin sicher: Die Kraft ihres Fundamentes, der tragende Grund ihres Lebens hat sie und ihre Kinder gehalten – auch in dieser Zeit, in der die finanzielle Not sehr groß war.

Viele von uns sind „beheimatet“ in der KAB, deren Jubiläum wir heute in Niederwenigern feiern dürfen. Der Verband gehört sozusagen zu unserem „Lebenshaus“ dazu. Ich glaube, auch hierfür hat das, was wir zu Hause, in unserer Familie erfahren haben, einen tragenden Grund gelegt. Wer in der Familie ein Fundament erfahren hat, wer sich verantwortlich gefühlt hat für Ehepartner und Kinder, Geschwister und Eltern, ist eher bereit, dies auch in der Kirche und in der KAB oder einer anderen Gruppe tun. Da zahlt sich aus, was Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom erbittet: „Seid einander in geschwisterlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung!“ (Röm 12,10)

Ja, das Ehe-, das Familien- und auch das Haus eines Verbandes ist widerstandsfähig, wenn es auf tragfähigen und soliden Boden gebaut ist, wenn Liebe und Achtung seine Fundamente und seine Stützen sind. Dann können ruhig Stürme toben.

„denn es war auf Fels gebaut“ – auf den Felsen der Wahrheit

Nikolaus und Elisabeth Groß haben ihr Lebenshaus gebaut auf dem Fundament ihrer gegenseitigen Liebe. Sie haben es zudem auf den Felsen der Wahrheit gesetzt.

In einer Zeit, in der die Wahrheit über den Menschen und über Gott auf vielfältige Weise karikiert, geleugnet und missachtet wurde, haben sie – zusammen mit Freundinnen und Freunden, mit den Verantwortlichen in der KAB, mit den Menschen in der Gemeinde – nach der Wahrheit gesucht und um Wahrheit und Wahrhaftigkeit gerungen.

So ist der Einsatz von Nikolaus Groß in der KAB, so ist auch letztendlich der Einsatz seines Lebens zu verstehen. Er konnte nicht schweigen, wo Unrecht war. Er musste reden und handeln, wo die Wahrheit missachtet wurde. Aus Liebe zur Wahrheit und zum Leben wuchs Nikolaus Gruß in den Widerstand – und wurde zum Märtyrer.

Aus Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit wuchs auch Elisabeth Groß in ihren Widerstand hinein. Sie kämpfte ausdauernd um ihre Rente als Witwe eines Hingerichteten und prangerte es als Unrecht an, dass die Witwen von Kriegsverbrechern schon längst wieder hohe Pensionen bezogen.

Auch ihre Arbeit in den Entnazifizierungsausschüssen und in den Ausschüssen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts stehen auf dem Fundament der Wahrheit und ihres Einsatzes für die Wahrheit.

Paulus schreibt nach Rom: „Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten!“ (Röm 12,9) Das haben Nikolaus und Elisabeth Groß je persönlich und auch gemeinsam gelebt, davon haben sie Zeugnis gegeben – gelegen oder ungelegen. Auf Kosten des eigenen Lebens. Nikolaus Groß kannte das Risiko und hat sich dem gestellt. Er hat einmal gesagt: „Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und den Menschen einmal bestehen.“

Lebensgefährlich ist das Zeugnis für die Wahrheit in unserem Lebensumfeld meist nicht. Dennoch machen sicher manche von uns die Erfahrung, dass ein klares Wort nicht auf Gegenliebe stößt. Wir begehen heute den Welttag für menschenwürdige Arbeit. Ist das nicht zeichenhaft für unsere heutige Gedenkfeier anlässlich der Seligsprechung von Nikolas Groß vor 12 Jahren. Hier und heute heißt es Farbe zu bekennen, nicht nur für die Menschen in den Textilfabriken von Bangladesh, gegen Kinderarbeit in Indien und anderswo, sondern auch vor der eigenen Haustür in den Fleischfabriken Oldenburgs. Mir scheint, dass auch hier – wie bei Nikolaus und Elisabeth Groß – die Gemeinschaft trägt und stützt. Gerade die Gemeinschaft eines Verbandes wie der KAB. Der gemeinsame Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit kann die eigene Position festigen. Paulus schreibt nach Rom und auch an uns: „Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten!“ (Röm 12,9)

„denn es war auf Fels gebaut“ – auf den Felsen des Gebetes

„Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.“ (Mt 7,25) Das Haus von Nikolaus und Elisabeth Groß stand auf dem festen Fundament ihres Glaubens und wurde gehalten und genährt durch das Gebet. Im Wissen um den baldigen Tod schrieb Nikolaus Groß in seinem Abschiedsbrief: „Habt keine Trauer um mich – ich hoffe, dass mich der Herr annimmt. Hat Er nicht alles wunderbar gefügt. … Er gab mir über fünf Monate Zeit – wahrlich eine Gnadenzeit –, mich auf die Heimholung vorzubereiten. Ja, Er tat viel mehr: Er kam zu mir im Sakrament, oftmals, um bei mir zu sein in allen Stürmen und Nöten, besonders in der letzten Stunde. … Nun habe ich meine irdischen Angelegenheiten geordnet. Die Tage und die Stunden, die mir bleiben, will ich ganz dem Gebet hingeben.“

Der Fels des Gebetes trägt Nikolaus und Elisabeth Groß – bis in die Stunde des Abschieds. Und besonders in ihr. Das Zeichen des gegenseitigen Segnens wird zu einer Besiegelung und zu einem Vermächtnis.

„Er kam zu mir im Sakrament, oftmals, um bei mir zu sein in allen Stürmen und Nöten, besonders in der letzten Stunde.“ Es ist ein schönes Zeichen, dass der Kelch von Prälat Müller, aus dem auch Nikolaus Groß getrunken hat, hier bei uns ist und in dieser Eucharistiefeier genutzt wird. Er scheint mir wie eine Brücke zu Nikolaus Groß. Sein Glaube, sein Gebet und seine Verbindung mit Jesus Christus sind dadurch greifbar in dieser Stunde.

Paulus lädt die Gemeinde in Rom und uns ein: „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,12) Nikolaus und Elisabeth Groß haben sich einladen lassen. Mit ihrer Hoffnung, ihrer Geduld und vor allem mit ihrem beharrlichen Gebet können sie uns stärken in den Situationen, in denen uns das Gebet vielleicht schwer wird oder die Hoffnung schwindet. Und wenn wir heute des 150jährigen Jubiläums der KAB in St. Mauritius Niederwenigern gedenken, dann dürfen wir auch die lebenden und die verstorbenen Mitglieder unseres Verbandes als lebendig in unserer Mitte erfahren. Die KAB ist eine Gemeinschaft im Handeln und im Gebet. Manchmal beklagen wir, dass die Gemeinschaft kleiner wird, dass kaum neue Mitglieder zu uns stoßen und dass immer weniger Mitglieder an unseren Veranstaltungen teilnehmen.

Der heutige Tag scheint mir dennoch ein sprechendes Zeichen für die Lebendigkeit des Verbandes zu sein. Ich meine, es gibt die „dauernde“ Mitgliedschaft, die Verstorbenen, die lebendig unter uns sind. Und dazu gehören auch Nikolaus und Elisabeth Groß. Gott sei Dank.

Der Zuspruch des Paulus trägt uns: „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,12) Das bedenken und das feiern wir heute. Amen.

[Zurück]