7. Oktober 2011:

Ovationen für das Oratorium

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Uraufführung des Heucke-Werks über Nikolaus Groß / Effekte - und eine tiefe Auseinandersetzung: Eine Musikkritik

von Stephan Hammers

Dank an Komponist und Libretto-Autor: v. li.: Stefan und Dr. Clemens Heucke vor den Musikern (Foto: Cronauge)

Gemischte Gefühle stellen sich ein bei und nach der Uraufführung des Oratoriums "Nikolaus Groß" am 7. Oktober in der Duisburger Mercatorhalle. Edel und atmosphärisch aufgeladen der Rahmen mit Einführungsworten des Ruhrbischofs Franz-Josef Overbeck: "Wir wollen das Glaubens- und Lebenszeugnis von Nikolaus Groß ehren." Ein großes Orchester, zwei Chöre, Solisten. Und viele interessierte Zuhörer.

Absolut überzeugend ist die Leistung der Ausführenden. Graham Jackson führt sicher, entspannt und mit motivierender Ausstrahlung durch das nicht unkomplexe Werk. Die Duisburger Sinfoniker musizieren homogen, engagiert und durchaus ambitioniert. Die Chöre singen ausgewogen im Klang, leicht, mit guter Aussprache. Hervorragend auch das Solistenensemble mit der verhangen-strahlenden Sopranistin Caroline Melzer, dem präzisen, ausdrucksstarken Tenor Tilman Lichdi, dem samtig-packenden Bariton Sebastian Noack und dem sauber-kräftigen Bass Sami Luttinen.

Er hat den Kompositionsauftrag zum zehnten Jahrestag der Seligsprechung von Nikolaus Groß gerne angenommen, sagt Stefan Heucke, der in Bochum lebende Komponist aus Süddeutschland. Gewiss keine leichte Aufgabe, die er schließlich auf seine Weise löst: mit ausgreifendem Eklektizismus. Das heißt: Man hört Bach, Mendelssohn, Strawinski, Wagner, Weill, Verdi, Puccini und Hollywood. Den Walkürenritt und "Üb immer treu und Redlichkeit" zitiert Heucke auch "wörtlich". Bezeichnenderweise lösen diese Takte die größten Emotionen aus und bleiben fast als einzige im musikalischen Gedächtnis. Insgesamt berührt die durchaus kurzweilige und reichhaltige Musik trotz des Einsatzes einiger Effekte letztlich etwas wenig. Heucke stellt einen Summchor zum Gebet, Lautmalereien, lautestmögliche Orchesterschläge. Er ruft das ganze kompositorische Handwerk ab: Dazu gehören eine hervorragende Orchestrierung, die spielerische Beherrschung der Formen, die kunstvoll gewobene Partitur. Heucke benutzt die Tonalität, aber er nutzt - wohl bewusst - nie die Kraft neuer, starker Melodien. Damit unterscheidet er sich ums Ganze von den genannten Vorbildern.

Das Libretto von Dr. Clemens Heucke, Bruder des Komponisten, ist vielschichtig: Bibeltexte wechseln sich mit erzählenden Passagen, Originaltexten von Groß sowie (protestantischen) Kirchenliedern ab. Lyrisch - und damit von vorneherein musikalisch - sind die Texte nicht. Nicht nur "Nationalsozialismus" und "Reichsjustizminister" sind schwer singbare Worte. Der ganze Sprachduktus jenseits der entliehenen Texte ist kühl-prosaisch, unmelodisch. "Wer war Nikolaus Groß? Er war Bergmann, Arbeitersekretär und Redakteur. Er war ein Täter des Worts", so heißt es beispielsweise im ersten Teil. Und am Ende der Textschicht zum Leben und Sterben des Seligen: "Am 23. Januar 1945 wird Groß im Gefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet, durch den Strang." Tilman Lichdi gibt sich alle Mühe, die Texte mit eindringlichem Ernst darzubieten, doch kann seine wie die beachtliche Kunst aller Ausführenden manchmal die Distanz zwischen Stoff und Form nicht ganz überbrücken.

Das Publikum feierte Uraufführung, Komponist, Librettist mit stehenden Ovationen. Der Abend war in der Tat ein anregendes Ereignis, auf welches das Bistum Essen als Auftraggeber, die Sponsoren, die Initiatoren und alle Beteiligten stolz sein dürfen. Und wer weiß, vielleicht schafft es das Oratorium auch in weitere Konzertprogramme - der Mensch Groß als Vorbild im Glauben hätte es besonders verdient.

Quelle: Ruhrwort



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