Veröffentlichung innerhalb einer Serie im RUHRWORT
Die Serie zum Thema "Nikolaus Groß - Journalist" wurde in der Zeit vom Juli 2001 bis zum Oktober 2001 im RUHRWORT veröffentlicht. Sie wurde mit freundlicher Genehmigung von Herrn Martin Schirmers in das Archiv aufgenommen.

RW-Serie "Nikolaus Groß - Journalist"

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Reichstagswahlen am 14. September 1930: Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage und der Agitation extremistischer Parteien empfanden viele Zeitgenossen diese Wahlen als "Schicksalswahlen" für die Weimarer Republik. Auch Nikolaus Groß (ng) spiegelt in seinem Leitartikel "Klare Fronten" (WAZ vom 6. September) den Ernst der Lage wider: Für den Leser analysiert er zunächst das linke Parteienspektrum (Sozialdemokratie und Kommunisten) und wendet sich dann den Nationalsozialisten zu: Scharf kritisiert er deren Angriffe auf Reparationszahlungen (Youngplan) und Demokratie. Der katholische Arbeiter soll immun werden gegen Abwerbungsversuche der Nazis und dem Zentrum die Treue halten. Doch auch das konnte nicht verhindern, dass nach dem Urnengang die NSDAP von einer knapp 3-Prozent-Partei mit 18,3 Prozent hinter der SPD zur zweitstärksten Partei im Deutschen Reichstag wurde.

Martin Schirmers

Die dritte Gruppe endlich, die sich im Wahlkampf um die katholische Arbeiterschaft bemüht, sind die Nationalsozialisten. Wie bei den Sozialdemokraten und Kommunisten, so hat auch bei den Nationalsozialisten das demagogische Schlagwort die Herrschaft. Alle Schuld an der Not sollen der Youngplan und die Demokratie haben; so behaupten die Nationalsozialisten. Wenn das richtig wäre, wie kommt es dann, dass Amerika, das keine Tributkosten zu tragen hat, das einen ungeheuren Reichtum aufweist, trotzdem 5 bis 6 Millionen Arbeitslose hat? Gewiss belastet uns der Youngplan stark. Aber die Ursachen der schlechten Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage liegen zu einem großen Teil in der allgemeinen Weltwirtschaftskrise, von der auch wir erfasst wurden. Und selbst wenn der Youngplan die alleinige Schuld trüge, wie wollen die Nationalsozialisten es möglich machen, dass wir von jeder Tributleistung frei werden? Mit nationalistischen Reden kann man das nicht erreichen. Und sonst haben die Nationalsozialisten keine gangbaren Wege weisen können. Der Nationalsozialismus würde, wenn er einmal zur Herrschaft käme, uns wirtschaftlich nicht frei und gesichert machen. Seine Haltung in den Fragen der Freiheit religiöser Betätigung, in der Sicherung der Rechte der Kirche und des Religionsunterrichtes, in den Fragen der Kultur steht zu unserer Auffassung in vielfachem und grundsätzlichem Gegensatz. "Politik geht über Kultur", diese Rangordnung stellten die nationalsozialistischen Studenten der Handelshochschule Leipzig in einem Wahlaufruf kürzlich auf. Eine solche Rangordnung, die Religion und Kultur unter die Politik stellt - "Politik", wie sie die Nationalsozialisten verstehen -‚ können wir nie billigen. Wenn dieser Grundsatz die nationalsozialistische Einstellung zur Kultur wiedergibt, dann steht es bestimmt um die Freiheit der persönlichen religiösen Überzeugung und der Rechte der Kirche und der konfessionellen Schule unter der Herrschaft des Nationalsozialismus schlecht. Dann wird alle religiöse Lehre und Überzeugung, alle religiöse Erziehung, die sich nicht der politischen Meinung des Nationalsozialismus beugt, genau solche Unterdrückung erfahren wie im bolschewistischen Russland oder unter der Herrschaft der "frei"-denkerischen Sozialdemokratie. Hier müssen wir eine dritte klare Front ziehen: Wir lehnen als katholische Mitarbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab...

Die Front der katholischen Arbeiterschaft im Wahlkampf und bei der Entscheidung des 14. September ist klar: Wir setzen uns aus politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gründen für die Einigkeit und Geschlossenheit der Deutschen Zentrumspartei ein. Wir werben für die Zentrumspartei! Wir wählen Liste 3.

Nikolaus Groß

Unmittelbar neben diesem Aufruf fällt eine "Warnung" ins Auge:

Sie helfen Dir nicht, die Kommunisten und Nationalsozialisten, die durch revolutionäre Phrasen ihre eigene Unfähigkeit verdecken müssen.


Ruhrwort, 11.08.2001

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