Veröffentlichung innerhalb einer Serie im RUHRWORT
Die Serie zum Thema "Nikolaus Groß - Journalist" wurde in der Zeit vom Juli 2001 bis zum Oktober 2001 im RUHRWORT veröffentlicht. Sie wurde mit freundlicher Genehmigung von Herrn Martin Schirmers in das Archiv aufgenommen.

Nach den Kommunalwahlen im November 1929

Die Nationalsozialisten werden verschwinden

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1929: Die "relativ stabile Phase der Weimarer Republik" so der Historiker Eberhard Kolb, geht zu Ende. Wie in einem Brennglas werden Probleme sichtbar, die später zu Auflösung und Untergang der Republik führen: Bereits im Februar 1930 steigt die Arbeitslosenzahl auf über 3 Millionen; im Juli schließen sich nationalistische Rechtsparteien (u.a. NSDAP) im Kampf gegen die Reparationszahlungen (Young-Plan) zusammen; im Oktober brechen schließlich die Kurse an der New Yorker Börse zusammen - der "Schwarze Freitag" als Beginn der Weltwirtschaftskrise. Vor diesem Hintergrund finden im November 1929 in Hessen und Sachsen Kommunalwahlen, in Preußen Provinziallandtagswahlen statt. Vor allem in Preußen gehen die Nationalsozialisten eindeutig als Gewinner aus den Wahlen hervor. In seinem WAZ-Artikel "Nach den Kommunalwahlen" vom 30. November analysiert Nikolaus Groß (ng) die Wahlergebnisse: "Am gefährlichsten ist der Einbruch der Nationalsozialisten in viele Kommunalparlamente." Positiv sei dagegen der "Wiederaufschwung der Zentrumspartei", an dem die "katholischen Arbeitervereine" wesentlichen Anteil hätten.

Martin Schirmers

Bleiben wir zunächst bei den Provinziallandtagswahlen in Preußen. Drei Parteien haben gegenüber den Maiwahlen 1928 Stimmen gewonnen. Am stärksten die Nationalsozialisten. Im Mai 1928 erhielten sie, auf das diesjährige Wahlgebiet bezogen, 346771 Stimmen, jetzt 880225. Das ist eine Steigerung um mehr als das Anderthalbfache. Hier zeigt sich eine bedenkliche Entwicklung. Dass ein so großer Teil Wähler dieser politisch ideenlosen Gruppe ihre Stimme zuwandte, zeugt von keiner politischen Reife und Urteilsfähigkeit...

Das Zentrum hat an entscheidenden Punkten seine Position gehalten, vielfach sogar erfreulich verbessert. Hingegen haben einige Städte des Westens Verluste aufzuweisen. Unser Eindruck ist, dass besonders in einigen fast rein katholischen Gebietsteilen mit noch mehr ländlichen Einschlag die dort eingetretenen Verluste bedrohlich erscheinen. Gerade in den ländlichen Gegenden sollte man die Ergebnisse der Gemeinderats- und Kreistags- besonders sorgfältig überprüfen und vorhandene Mängel in der Parteiorganisation, Fehler in der Kandidatenauswahl oder sonstige Unvollkommenheiten auszugleichen bzw. für später zu beherzigen versuchen...

Am gefährlichsten ist der Einbruch der Nationalsozialisten in viele Kommunalparlamente. Gewiss sind die Nationalsozialisten eine Zeiterscheinung, die mit der wiederkehrenden politischen Vernunft verschwinden wird. Aber einstweilen werden die Nationalsozialisten die ja nicht praktisch kommunalpolitisch arbeiten wollen manche Gemeinde- und Stadtverordnetenversammlungen in ihrer Aktionsfähigkeit hemmen ...

Gerade diese Wahlen haben uns aber bewiesen, dass für eine zielbewusste Arbeiterschaft in der Zentrumspartei Raum und Geltungsmöglichkeit ist. Im Allgemeinen waren für die Wünsche und Forderungen der katholischen Arbeiterschaft Verständnis und Wille zum Entgegenkommen vorhanden... Wenn wir bei den diesjährigen Kommunalwahlen einen erfreulichen Wiederaufschwung der Zentrumspartei feststellen können, dann freuen wir uns dessen. An diesem Erfolg haben die Arbeiter besonderen Anteil. Es ist nicht zu viel gesagt, wenn wir behaupten, dass der Arbeiterschaft und vor allem der in den katholischen Arbeitervereinen geleisteten Arbeit es zu verdanken ist, wenn die Zentrumspartei vielerorts so erfreuliche Fortschritte machte. Es sind meist Arbeiterstädte und Industrieorte, wo das Zentrum voran kam. Die Partei sollte diese für sie von der katholischen Arbeiterschaft geleistete Arbeit anerkennen. Mit ihr müssen wir diesen Wahlerfolg zu weiteren Fortschritten ausbauen.

Nikolaus Groß
Ruhrwort, 28.07.2001

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