23. Januar 2005:

Vortrag von Barbara Lochbihler

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Generalsekretärin von Amnesty International

Barbara Lochbihler

Der Vortrag von Frau Barbara Lochbihler wurde durch eine Folterszene aus dem Musical Nikolaus Groß eingeleitet. In Verbindung mit dieser Szene und in Erinnerung an den 60. Jahrestag der Hinrichtung von Nikolaus Groß wies die Generalsekretärin von amnesty international Deutschland darauf hin, dass wir vor dem Hintergrund der Unrechtserfahrungen unserer Geschichte eine gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen die Folter auch in unserer Zeit tragen. Die Erfahrung der Geschichte zeigt, dass Folter nie einzugrenzen oder zu regulieren ist. Gerade in der Bundesrepublik Deutschland hat der Fall Daschner eine intensive Diskussion über die Folter ausgelöst.

Gegen eine große Mehrheit in der Bevölkerung, welche die Androhung von Gewalt in diesem Fall für vertretbar hielt vertritt a.i. die Position eines strikten gesetzlichen Folterverbotes.

Im Besonderen kritisierte Frau Lochbihler die Interpretation des Folterbegriffs durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Gerade der Kampf gegen den internationalen Terror habe die Akzeptanz der Folter erhöht. Die Legitimation von bestimmten Verhörmethoden - übrigens ohne die Zustimmung der Vereinten Nationen - durch die US-Regierung entlaste den einzelnen Soldaten, so dass er diese Methoden mit reinem Gewissen anwenden kann. Wenn der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld erklärt, dass bestimmte Foltermethoden normal sind, dann hat dies sehr problematische Auswirkungen auf andere Staaten, die sich an diesem Leitbild orientieren.

So bringt der Kampf gegen den Terror die Anwälte der Menschenrechte immer wieder in die Defensive. Natürlich haben Regierungen das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerungen vor der Bedrohung des Terrorismus zu schützen; sie sollten dabei aber die Prinzipien des Rechtsstaates wahren.

Folter wird - so Frau Lochbihler - vor allem in der incommunicado Haft verübt - so in Marokko, wo diese Haft - ohne Zugang zu einem Anwalt - erheblich ausgeweitet wurde. In der Regel ist die Folter nicht effektiv, da sie zu einer Eskalation der Gewalt beiträgt.

Aber: Amnesty international verzeichnet auch Erfolge im Kampf gegen die Folter. So hat die EU im Jahre 2001 in einem Schutzabkommen Leitlinien zur Abschaffung der Folter verabschiedet, die auch positive Auswirkungen auf die Verhandlungen mit anderen Staaten - so z.B. Mexiko haben.

a.i. hat ferner die Bundesregierung aufgefordert, das Zusatzprotokoll zur Antifolterkonvention zu ratifizieren; dies ist aber bislang noch nicht geschehen. Im Dialog mit Polizei und Politik verfolgt a.i. international 3 Ziele:

  1. Folter verhindern
  2. Diskriminierung überwinden
  3. Straffreiheit abschaffen

Folter gibt es in über 150 Staaten; in 70 Staaten wird sie auch von der Exekutive ausgeführt. Im Vergleich zu den 70er Jahren, in denen sich die Folter überwiegend gegen politisch Andersdenkende richtete, werden heute auch Menschen gefoltert, die einer Straftat verdächtig sind. Sie haben keine Lobby, niemand setzt sich für die Achtung der Würde von Kleinkriminellen ein.

Eine wichtige Voraussetzung der Folter ist die Ausgrenzung, das "Lächerlich Machen" von Minderheiten, so der Roma und der Sinti; dies erleichtert die Akzeptanz der Folter bei den Zuschauern.

Die Abschaffung der Straffreiheit entzieht den Folterern die Grundlage der Legitimität; durch urgent actions (Eilaktionen) und internationale Proteste wird die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Folter gelenkt; dies ist ein wichtiger Schutz für die Gefolterten.

Die Methoden der Folter heute sind Schläge, Scheinhinrichtungen, Aufhängen des Körpers, Elektroschocks.

Gerade Elektroschocks werden heute bevorzugt eingesetzt, da sie dem Gefolterten große Schmerzen zufügen, andererseits aber keine erkennbaren Spuren hinterlassen.

Durch seine Eilaktionen erreicht amnesty, dass ein Drittel aller Gefangenen freigelassen werden.

Die Forderung nach einer Bestrafung der Folterer hat auch positive Auswirkungen gehabt; so wurde der chilenische Diktator Augusto Pinochet im Jahre 1998 in Großbritannien festgenommen; damit ging ein Ruck durch die chilenische Gesellschaft, denn hier war zum ersten Male deutlich geworden, dass man nicht ungestraft foltern darf. Ähnlich gelagert ist der Fall des liberianischen Diktators Charles Taylor, der in Nigeria im Exil lebt. Er ist zwar angeklagt, kann aber zur Zeit noch nicht ausgeliefert werden.

Die Vorsitzende von amnesty international schloss ihren Vortrag mit der Zuversicht, dass die Folter überwinden werden kann - auch und vor allem durch die Gefolterten selbst. Mutmachend ist die Erfahrung, dass Menschen, die gefoltert wurden, das Trauma der Folter überwinden und die Kraft finden zu einem neuen Anfang. Sie sind die glaubwürdigsten Zeugen gegen die Folter.


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