15. Mai 1999:

Neue Gedenkstätte in Hattingen

In Hattingen-Niederwenigern erinnert eine neue Gedenkstätte an den katholischen Gewerkschaftssekretär, Journalisten und Widerständler Nikolaus Groß.

Mutiger Zeuge

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Lange hatte es gedauert - jetzt ist es soweit: In Hattingen-Niederwenigern ist am vergangenen Samstag das Nikolaus-Groß-Haus feierlich eingeweiht worden. Es erinnert an den vor 54 Jahren ermordeten Widerstandskämpfer, Gewerkschaftssekretär und Journalisten Nikolaus Groß, der aus Niederwenigern stammt. Und nicht nur für Pfarrer Eberhard Stute ging so ein Wunsch in Erfüllung: Seit Jahren gab es auch bistumsweit Bemühungen, für Nikolaus Groß eine Gedenkstätte zu schaffen.

Weihbischof Franz Grave feierte zunächst ein Pontifikalamt in der aufwendig renovierten St.-Mauritius-Kirche. Fast 500 Menschen nahmen daran teil. Und gekommen waren mit Bernhard (65), Klaus (75), Berny (73) und Marianne (71) vier der sieben Kinder von Nikolaus Groß. In der Predigt würdigte Weihbischof Grave Nikolaus Groß als eine "Ausnahmegestalt".

1898 wurde Nikolaus Groß in Niederwenigern geboren und in der Pfarrkirche St. Mauritius getauft.

Der gelernte Bergmann wurde in den zwanziger Jahren schnell eine führende Persönlichkeit in der katholischen Arbeiterbewegung. Über den Charakter der im braunen Gewand heraufziehenden Diktatur gab er sich von Anfang keinen Illusionen hin. "Wir lehnen als katholische Arbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab." So kommentierte Nikolaus Groß in der "Westdeutschen Arbeiter Zeitung" bereits 1930 vor den Reichstagswahlen im September.

Aus dieser konsequenten Ablehnung des Nationalsozialismus erwuchsen später, Ende der 30er Jahre, erste Kontakte zu oppositionellen Gruppen des deutschen Militärs. Als Mitglied des "Kölner Kreises" nutzte Groß seine Reisen zu Arbeitervereinen für Kuriertätigkeiten. Und er machte sich bereits Gedanken über das Nachkriegsdeutschland-ein mutiger Zeuge für ein besseres Deutschland. Seine Notizen, die der Gestapo in die Hände fielen, trugen später zu seiner Verurteilung bei. Groß sei genau über Einzelheiten des Verrates (des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944) informiert gewesen, hieß es im Verlauf des Prozesses. Für den berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, stand damit das Urteil fest: "Er schwamm mit im Verrat, muß folglich auch darin ertrinken." Am 23. Januar 1945 wurde Groß dann in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Die Lebensstationen werden nun zusammen mit persönlichen Gegenständen, beeindruckenden Schriftstücken und Fotos in dem "Nikolaus-Groß-Haus" dokumentiert - einer ehemaligen Scheune neben dem Pfarrhaus.

Nach dem Gottesdienst segnete Weihbischof Franz Grave das Haus und sprach von Nikolaus Groß als einem "Zeugen aus dem Arbeiterstand wie aus dem Bilderbuch". Daß dieser Abend trotzdem nicht ungetrübt blieb, das notierte zumindest eine Lokalzeitung in ihrer Berichterstattung. Die Stadtspitze habe gefehlt, heißt es da. Und die Spitze des Kommentars liest sich so: "Welch eine Instinktlosigkeit angesichts der braunen Vergangenheit dieser Stadt. Hitler und Goebbels gingen hier ein und aus, bereits am 28. März 1933 wurde der 'Führer' Ehrenbürger Hattingens. Geschichte ist auch eine Verpflichtung. Im großen wie im kleinen..."

Ruhrwort Jahrgang 41 Nr. 19 15. Mai 1999


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